Leitsatz (amtlich)

Der Staatsanwaltschaft steht gegen die Ablehnung der Bestellung eines Ergänzungspflegers kein Beschwerderecht zu. Dies gilt auch in dem Fall, dass die Eltern gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StPO an der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts ihres Kindes gehindert sind.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Staatsanwaltschaft Essen beantragte die Bestellung eines Ergänzungspflegers für den sechsjährigen S N (Im Folgenden S). Gegen die allein sorgeberechtigte Mutter läuft unter dem Aktenzeichen 12 JS 2106/14 StA Essen ein Strafverfahren. Geschädigter soll S sein. Der Ergänzungspfleger soll über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 StPO entscheiden.

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Staatsanwaltschaft Essen abgewiesen.

Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde in der sie ihre Auffassung vertieft, ein Ergänzungspfleger sei zu bestellen. Sie meint, sie sei beschwerdebefugt.

II. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

1. Seitens der Staatsanwaltschaft wird nicht in Frage gestellt, dass sie mangels spezialgesetzlicher Anordnung keine Beschwerdebefugnis gem. § 59 Abs. 3 FamFG hat. Eine solche Beschwerdebefugnis ist insbesondere nicht in § 52 StPO angeordnet (BGH, Beschluss vom 08.10.2014 - XII ZB 406/13 -, juris Rn. 11).

2. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ergibt sich auch keine Beschwerdebefugnis aus der Beeinträchtigung des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses, § 59 Abs. 1 FamFG. Gem. § 59 Abs. 1 FamFG kann sich für Behörden auch beim Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung i. S. von § 59 Abs. 3 FamFG eine Beschwerdeberechtigung ergeben (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 64). Erforderlich ist, dass die Behörde - vorliegend die Staatsanwaltschaft - durch den Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt ist. Dies ist nicht der Fall.

Der Senat verkennt nicht, dass gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StPO die Mutter von S als Beschuldigte nicht über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts entscheiden kann. Grundsätzlich ist dann gem. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Ob ein solcher nur dann zu bestellen ist, wenn das Kind zusätzlich aussagebereit ist, ist streitig (vgl. Nachweise zum Meinungsstand bei OLG Hamburg, Beschluss vom 26.03.2013, 13 UF 81/12- juris, Rn. 18).

Dieser Meinungsstreit kann vorliegend dahinstehen. Von dieser Frage, ob vorliegend ein Ergänzungspfleger zu bestellen gewesen wäre, ist die Frage zu trennen, ob die Staatsanwaltschaft allein wegen einer möglichen Beeinträchtigung des ihr obliegenden Strafverfolgungsinteresses gem. § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 08.10.2014 - XII ZB 406/13 -, juris, Rn. 11) gilt insoweit Folgendes:

Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Tenor des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift (BGH Beschluss vom 19.01.2011 - XII 326/10 - juris m.w.N.). Ein solcher Eingriff liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufhebt, beschränkt, mindert, ungünstig beeinflusst oder gefährdet, die Ausübung dieses Rechts stört oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthält oder erschwert (BGH Beschluss vom 24.04.2013 - IV B 42/12 - juris, Rn. 15 m.w.N.) Auch eine Behörde ist gem. § 59 Abs. 1 FamFG nur dann beschwerdeberechtigt, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung in gesetzlich eingeräumten eigenen Rechten unmittelbar betroffen ist.

Eine bloße Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Erfüllung der einer Behörde übertragenen öffentlichen Aufgabe genügt dagegen nicht. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 59 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG. Denn § 59 Abs. 3 FamFG wäre entbehrlich, wenn eine Beeinträchtigung der übertragenen öffentlichen Aufgaben für die Beschwerdeberechtigung ausreichen würde (und BGH Beschluss vom 08.10.2014 - XII ZB 406/13 -, juris, Rn. 15 a.E. unter Verweis auf Fischer NZFam 2014, 46).

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hält der BGH (Beschluss vom 08.10.2014 - XII ZB 406/13-, juris, Rn. 15 Rn. 16 ff.) es nicht für möglich, dass die Staatsanwaltschaft wegen ihres Strafverfolgungsinteresses beschwerdebefugt ist. Insbesondere in Rn. 18 der oben genannten Entscheidung begründet der BGH, dass die Staatsanwaltschaft durch die Entscheidung eines Familiengerichts, keine Ergänzungspflegschaft anzuordnen, lediglich mittelbar beeinträchtigt wird. Eine Erschwerung der Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft führt nach Auffassung des BGH, der sich der Senat anschließt, aber nicht zu einem Eingriff in ein ihr zustehendes subjektives Rec...

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