Entscheidungsstichwort (Thema)

Beugehaft gegen einen Zeugen. Auskunftsverweigerungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der Beugehaft gegen einen Zeugen, § 70 Abs. 2 StPO.

2. Auch ein bereits rechtskräftig verurteilter Zeuge kann wegen desselben Sachverhalts, der seiner Verurteilung zugrunde gelegen hat, die Auskunft nach § 55 StPO verweigern, wenn er sich durch seine Zeugenaussage in der Hauptverhandlung der Gefahr anderweitiger strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würde. Eine solche Verfolgungsgefahr ist gegeben, wenn der Zeuge bei wahrheitsgemäßer Aussage von seinen früheren Angaben abweichen und sich damit dem Vorwurf aussetzen müsste, den Angeklagten seinerzeit falsch verdächtigt zu haben. Jedoch begründen bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder die rein denktheoretische Möglichkeit, die ursprüngliche Aussage könne falsch gewesen sein, weder einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht für das Vorliegen einer strafbaren Handlung in vorbezeichnetem Sinne noch ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO. Denn anderenfalls hätte es jeder Zeuge, der einen anderen zunächst be- oder entlastet hat, in der Hand, allein mit dem bloßen Einwand, die ursprüngliche Aussage könnte falsch gewesen sein, jede weitere Auskunft zu verweigern.

 

Normenkette

StPO §§ 70, 55

 

Verfahrensgang

AG Marbach (Entscheidung vom 12.11.2013; Aktenzeichen (2 Ls 61 Js 14600/13)

LG Arnsberg (Aktenzeichen II 2 KLs 6/14)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Marbach am Neckar vom 12. November 2013 (2 Ls 61 Js 14600/13) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Sowohl in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung als auch bereits im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 27. Mai 2013 hatte der Beschwerdeführer angegeben, in einer Vielzahl von Fällen ein Amphetamingemisch im Kilogrammbereich mit einem Wirkstoffanteil von wenigstens 10 Prozent zum Zwecke des Weiterverkaufs von dem Angeklagten des vorliegenden Verfahrens, einem Cousin des Beschwerdeführers, bezogen zu haben. Nachdem dem Beschwerdeführer mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 02. September 2013 ursprünglich zehn Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (begangen in der Zeit zwischen 2005 und dem 27. Mai 2013) vorgeworfen worden waren, ist das Verfahren später in drei Fällen (Tatzeitraum von 2005 bis einschließlich 2008) gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die Verurteilung des Beschwerdeführers ist wegen der für den Zeitraum September 2009 bis zum 27. Mai 2013 festgestellten sieben Taten erfolgt.

Diese sieben Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sind nunmehr auch Gegenstand des gegen den Angeklagten gerichteten Strafverfahrens. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten vor dem Landgericht Arnsberg hat der Beschwerdeführer erklärt, keine Angaben darüber zu machen, wo, von wem und wie viel Amphetamin er in den Jahren 2009 bis Anfang 2013 bezogen habe. Lediglich zu der Tat vom 27. Mai 2013 hat der Beschwerdeführer einzelne Angaben gemacht. An seiner Weigerung hat der Beschwerdeführer auch festgehalten, nachdem ihn das Gericht über die Möglichkeit der Verhängung von Maßregeln nach § 70 StPO, insbesondere auch die Möglichkeit der Beugehaft, belehrt hat. Als Begründung für sein Verhalten hat der Beschwerdeführer zum einen angegeben, er befürchte für den Fall einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage im vorliegenden Verfahren von seiner früheren Aussage abzuweichen und deshalb die Einleitung eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens nach §§ 153 ff. StGB oder § 164 Abs. 1 StGB. Zum anderen sei zu besorgen, dass die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahren wieder aufgenommen würden.

Mit Beschluss vom 26. September 2014 hat die Kammer dem Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld i.H.v. 200 € auferlegt und für den Fall, dass dieses nicht insgesamt beigetrieben werden kann, für jede nicht beigetriebenen 50 € einen Tag Ordnungshaft festgesetzt. Zugleich hat das Landgericht gegen den Beschwerdeführer Haft zur Erzwingung des Zeugnisses bis zu sechs Monaten angeordnet. Schließlich sind dem Beschwerdeführer die durch seine Auskunftsverweigerung entstandenen Kosten auferlegt worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Zeugen vom 13. Oktober 2014, mit der er unter Hinweis auf ein nach § 55 StPO in Anspruch genommenes Auskunftsverweigerungsrecht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt. Der Beschwerdeführer wiederholt und intensiviert sein bisheriges Vorbringen. Mit der Beschwerdeschrift lässt er vortragen, es seien mehrere konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben, dass seine früheren Angaben in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren falsch gewesen seien. So habe er bereits falsche An...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge