Leitsatz (amtlich)

1. Führt ein Rechtsbeistand einen Prozess in eigener Sache, so kann er wie ein Rechtsanwalt Gebühren erstattet verlangen.

2. Die Einschaltung eines Rechtsbeistandes im Mahnverfahren begründet für diesen dann erstattungsfähige Gebühren neben denen des späteren Prozessbevollmächtigten, wenn der Kläger mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht zu rechnen brauchte.

 

Normenkette

KostÄndG 1957 Art. IX Abs. 1 und 2; ZPO § 3, 91 Abs. 2 S. 4; BRAGO § 43 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 42/01)

 

Tenor

Der der Klägerin von den Beklagten zu erstattende Betrag wird abändernd auf 3.631,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.3.2001 festgesetzt.

Die Beklagten tragen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 985 DM.

 

Gründe

Der als „Erinnerung” bezeichnete Rechtsbehelf der Klägerin ist als sofortige Beschwerde zulässig (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Sie wendet sich zu Recht gegen die Absetzung der von ihr in Höhe der Sätze der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) angemeldeten eigenen Kosten von 985 DM für das Mahnverfahren. Demgemäß erhöht sich der festzusetzende Betrag von 2.646,50 DM auf 3.631,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.3.2001.

I. Die Klägerin kann als Rechtsbeistand Gebühren wie ein Rechtsanwalt verlangen. Wie sich aus den Angaben in den Mahnbescheidsanträgen ergibt, hat sie die an sie im Wege des Factoring abgetretenen Forderungen auf der Grundlage der ihr mit Bescheid des Präsidenten des LG Bremen vom 20.1.1975, zuletzt geändert am 3.5.1994, erteilten Rechtsberatungserlaubnis geltend gemacht, die sich auch auf die gerichtliche Verfolgung von Forderungen im Rahmen des Mahnverfahrens bezieht. Gem. Art. IX Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26.7.1957 (KostÄndG), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.6.1992 (BGBl. 1147), gilt die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte für Personen, denen die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist, sinngemäß. Ausgenommen sind nach Art. IX Abs. 2 KostÄndG nur Frachtprüfer und Inkassobüros, zu denen die Klägerin bei der Forderungseinziehung im gerichtlichen Mahnverfahren nicht gehört. Die Tätigkeit von Inkassobüros betrifft nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG allein die außergerichtliche Forderungseinbeziehung.

Soweit der Rechtspfleger im angefochtenen Beschluss für seine gegenteilige Ansicht, die BRAGO sei für Rechtsbeistände nicht heranzuziehen, eine Kommentarstelle anführt, geschieht dies zu Unrecht, weil dort entsprechend der Gesetzeslage die sinngemäße Geltung der BRAGO für Personen, denen die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist, ausdrücklich erwähnt und lediglich für andere Personen verneint wird (siehe Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 1 Rz. 4).

II. Der Festsetzung der für das Mahnverfahren geltend gemachten Kosten steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin in einer eigenen Angelegenheit tätig geworden ist. Wie ein Rechtsanwalt kann sie als Rechtsbeistand gem. § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO die Erstattung der Gebühren und Auslagen verlangen, die sie im Falle einer Bevollmächtigung durch eine Drittperson beanspruchen könnte (vgl. Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., Anm. 6 zum Stichwort „Rechtsbeistand”).

III. Der Klägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht schon im Mahnverfahren ihre später bei der Prozessvertretung mandatierten Rechtsanwälte beauftragt hat. Zwar wäre dann die jetzt von ihr eigens beanspruchte Gebühr für das Mahnverfahren (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) gem. § 43 Abs. 2 BRAGO auf die Prozessgebühr der Anwälte anzurechnen gewesen. Ebenso wie die Beauftragung eines beim späteren Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalts für das Mahnverfahren (vgl. dazu z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 16.2.1999 – 23 W 535/98, OLGReport Hamm 2000, 49 = AnwBl. 2000, 322) stellt jedoch auch die Einschaltung eines Rechtsbeistandes im Mahnverfahren keinen Verstoß gegen die Pflicht zur Vermeidung unnötiger Mehrkosten dar (§ 91 ZPO), wenn der Kläger mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht zu rechnen brauchte. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Allein aus dem bloßen Schweigen des Schuldners auf Mahnungen des Gläubigers muss der Letztgenannte grundsätzlich nicht den Schluss ziehen, der Schuldner werde Widerspruch gegen einen Mahnbescheid einlegen. Eine andere Würdigung kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn der Schuldner auch auf einen nachhaltig kostenauslösenden Beitreibungsversuch in Form der Einschaltung eines Inkassobüros nicht reagiert hat. Dann kann eine konkrete Veranlassung zu der Annahme bestehen, dass der Schuldner die Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtung weiter hinauszögern und deshalb auch einen Mahnbescheid nicht widerspruchslos hinnehmen werde (OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.1993 – 23 W 23/93, MDR 1994, 103 = JurBüro 1994, 436 [437]). Hier ist die Klä...

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