Leitsatz (amtlich)

1. Das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer ist auf das gemeinschaftliche Grundstück entsprechend seiner durch die Eintragung im Grundbuch entstandenen sachenrechtlichen Zuordnung beschränkt. Die Nutzung eines benachbarten Grundstücks kann deshalb nicht Gegenstand eines auf § 15 Abs. 3 WEG gestützten Unterlassungsanspruchs sein. Eine Bindungswirkung an die gegenteilige Beurteilung in einem verwaltungsgerichtlichen Urteil, die auf die Einheitlichkeit der Baumaßnahme auf beiden Grundstücken abstellt, besteht nicht.

2. Ein Anspruch auf Unterlassung einer Wohnnutzung des Nachbargrundstücks, der auf der Grundlage des § 1004 BGB auf eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts gestützt wird, ist ausgeschlossen, wenn diese Nutzung Gegenstand einer erteilten und weiterhin wirksamen Baugenehmigung ist.

 

Normenkette

WEG §§ 1, 15 Abs. 3; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 21.06.2005; Aktenzeichen 9 T 1/05)

AG Essen-Steele (Aktenzeichen 10-II 9/04)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Essen vom 21.6.2005 wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.

Auf die erste Beschwerde wird der Beschluss des AG Essen-Steele vom 19.11.2004 teilweise abgeändert. Der Antrag zu Ziff. 2 aus der Antragsschrift vom 30.1.2004 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1) einerseits und die Beteiligte zu 3) andererseits zu

je ein halb. Von den Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Beteiligten 2) zwei Drittel, die Beteiligten zu 1) einerseits und die Beteiligten zu 3) andererseits tragen jeweils ein Sechstel.

Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Miteigentümer der im Betreff bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, die von dem Beteiligten zu 5) verwaltet wird. Die Anlage besteht aus zwei Doppelhaushälften, die auf dem Grundstück Flurstücke G1, Flur X4, Flurstücke X3 und X2 errichtet worden sind. Entlang der rückwärtigen, westlichen Grundstücksgrenze befinden sich in einer Reihe 10 Garagen. Die in dieser Reihe von der Straße aus gesehen rechts außen gelegene Doppelgarage steht im Sondereigentum der Beteiligten zu 2). An den rückwärtigen Teil der Garagen grenzt zum Teil das Flurstück X an, welches im Alleineigentum der Beteiligten zu 2) steht. Auf diesem Grundstück war ursprünglich die Errichtung einer Schwimmhalle konzipiert, aber nicht verwirklicht worden. Das unmittelbar an die Garagen anschließende Gebäude, das über eine Tür in der rückwärtigen Wand der Doppelgarage erreicht werden kann, befindet sich im Rohbauzustand.

Mit Bescheid vom 4.10.1993 und 1. Nachtragsbaugenehmigung vom 2.9.1994 erteilte der Oberstadtdirektor der Stadt F. dem Beteiligten zu 2) die Baugenehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung des Schwimmbades zu einer Wohnung unter Befreiung von der Einhaltung der nach § 6 BauO NRW gebotenen Abstandsfläche. Die Garagen sollten durch eine Trennwand im Inneren separiert werden. Der Zugang zu dem Gebäude sollte auf der Vorderseite durch eine in das Garagentor einzulassende Schlupftür und auf der Rückseite durch die vorhandene Tür erfolgen. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage der Beteiligten zu 1) wies das VG Gelsenkirchen durch Urteil vom 3.5.2001 zurück. Zur Begründung führte das VG aus, dass bei einem nach WEG aufgeteilten Grundstück die öffentlich-rechtlichen Drittschutzansprüche durch das Zivilrecht verdrängt würden. Ob und in welchem Umfang materielle Abwehrrechte gegen baurechtlich unzulässige Baumaßnahmen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück bestünden, ergebe sich aus § 15 Abs. 3 WEG. Dies gelte nicht nur hinsichtlich des Flurstücks X2, soweit auf diesem die Baumaßnahme ausgeführt werde, sondern auch hinsichtlich des Flurstücks X. Denn die durch eine Baugenehmigung abgedeckte Maßnahme könne nicht in einen auf dem Flurstück X2 und einen auf dem Flurstück X zu verwirklichenden Teil aufgespalten werden, weil beide Vorhaben bei isolierter Betrachtung keine eigenständige Funktion hätten. Durch Beschluss vom 29.7.2003 lehnte das OVG Nordrhein-Westfalen den Antrag der Beteiligten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG ab.

Erstinstanzlich haben die Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz vom 30.1.2004 beantragt, den Beteiligten zu 2) den Umbau der Doppelgarage zu jeweils einer Einzelgarage zu untersagen und ihnen weiterhin zu untersagen, Versorgungseinrichtungen des Objekts mit dem Ziel zu verändern, das Flurstück X versorgen zu wollen. Darüber hinaus haben die Beteiligten zu 1) beantragt, den Beteiligten zu 2) zu untersagen, das auf dem Flurstück X befindliche Gebäude als Wohnung zu nutzen bzw. von Dritten nutzen zu lassen.

Die Beteiligte zu 3) hat sich den vorgenannten Anträgen angeschlossen.

Mit Beschluss vom 19.11.2004 hat das AG den Anträgen der Beteiligten zu 1) entsprochen.

Mit ihrer rechtzeitig erhob...

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