Leitsatz (amtlich)

Auch ein vom Insolvenzgericht zur Prozessführung ermächtigter „starker” vorläufiger Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe nur erhalten, wenn er darlegt, dass die Finanzierung des Rechtsstreits den Gläubigern der Schuldnerin nicht zumutbar ist.

 

Normenkette

ZPO § 116; InsO § 22

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Beschluss vom 07.03.2003; Aktenzeichen 13 O 45/03)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist vorläufiger Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin, einer GmbH, übergegangen ist (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). Außerdem ist er in dem gem. §§ 21, 22 InsO ergangenen Beschluss des Insolvenzgerichts vom 4.12.2002 ausdrücklich ermächtigt, Ansprüche der Schuldnerin nach dem GmbHG, insb. ggü. dem Antragsgegner, „erforderlichenfalls auch gerichtlich geltend zu machen.”

Er begehrt vorliegend PKH für eine Klage, mit der er Ansprüche gem. §§ 64 Abs. 2, 32a, b GmbHG verfolgt. Zur Darlegung der Bedürftigkeit hat er u.a. ausgeführt, dass mangels einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht feststehe, welche Gläubiger in welcher Höhe Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden werden und in welcher Höhe diese Forderungen festgestellt werden; insofern sei eine Bevorschussung des Prozesses nicht möglich.

Das LG hat die begehrte PKH mangels Bedürftigkeit verweigert. Es könne offen bleiben, ob der Antragsteller Partei kraft Amtes sei. Denn er habe weder dargelegt, dass die Gläubiger der Schuldnerin die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen könnten (§ 116 S. 1 Nr. 2 ZPO) noch dass diesen Gläubigern eine Aufbringung der Kosten nicht zuzumuten sei (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Senat geht allerdings davon aus, dass der Antragsteller vorliegend Partei kraft Amtes i.S.v. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO ist. Dies ist unabhängig von der Streitfrage, ob der „starke” vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich nur solche Prozesse führen darf, die zur Sicherung der Masse unerlässlich sind, oder auch darüber hinaus prozessführungsbefugt ist (vgl. hierzu Zöller/Philippi, ZPO, § 116 Rz. 2 einerseits und Uhlenbruck, § 22 InsO Rz. 18 andererseits; jew. m.w.N.), schon deshalb anzunehmen, weil das Insolvenzgericht den Antragsteller hier ausdrücklich zur Prozessführung ermächtigt hat.

Das besagt aber noch nichts darüber, ob für solche Prozesse auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist. Dies hängt vielmehr davon ab, ob auch die weiteren Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Dies hat das LG zu Recht nicht festzustellen vermocht. Denn nach dieser Vorschrift genügt es gerade nicht, dass die Kosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können. Es ist vielmehr erforderlich, dass auch der vorläufige Insolvenzverwalter, wenn er als Partei kraft Amtes klagt, die Forderungen der Gläubiger nach Art und Höhe vorträgt, um dem Gericht die Beurteilung einer Zumutbarkeit zu ermöglichen. Der Umstand, dass die Ermittlung der Verbindlichkeiten des Schuldners ansonsten nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters zählt, ändert daran nichts. Dies hat der BGH unter der Geltung der Konkursordnung bereits für den Sequester im Konkurseröffnungsverfahren so entschieden (BGH v. 9.7.1998 – IX ZA 4/98, MDR 1998, 1248 = NJW 1998, 3124). Für den vorläufigen Insolvenzverwalter gilt nichts anderes. Auch für dessen Klagen trifft nämlich der bereits vom BGH angeführte überzeugende Gesichtspunkt zu, dass ihm Prozesskostenhilfe nicht unter erleichterten Bedingungen gewährt werden kann, weil dies sonst dazu verführen könnte, Rechtsstreitigkeiten in das Eröffnungsverfahren zu verlagern.

Ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme für den Fall zu machen ist, dass die sofortige Prozessführung zur Sicherung der Masse aus besonderen Gründen unaufschiebbar erscheint (z.B. wegen drohender Verjährung), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil Anhaltspunkte hierfür nicht ersichtlich sind.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO, § 11 GKG (Anlage 1) nicht veranlasst.

Lehmann Halfmeier Bauer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1106358

NZI 2004, 35

OLGR Hamm 2003, 357

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