Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung. Unterbrechung. Anhörungsbogen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Erstellung und der Absendung der schriftlichen Anhörung handelt es sich jedenfalls um eine Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens an den Betroffenen i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.

2. Grundsätzlich unterbricht jede im Katalog des § 33 Abs. 1 S. 1 OWiG aufgeführte Handlung die Verjährung. Es kommt nicht darauf an, ob die Handlung zur Förderung des Verfahrens objektiv geeignet und bestimmt war. Bloße Scheinmaßnahmen oder Maßnahmen denen ein schwerwiegender Fehler anhaftet reichen indes nicht.

 

Normenkette

OWiG § 33

 

Verfahrensgang

AG Castrop-Rauxel (Aktenzeichen 6 OWi 61/15)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (nach Abzug von 4 km/h Toleranz) von 59 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot (unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist") verhängt. Der Betroffene ist Geschäftsführer eines Unternehmens und hat nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil die Tat mit einem Firmenfahrzeug begangen.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Weiter erhebt er Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

1.

Die Tat ist nicht verjährt. Näherer Erörterung bedarf es insoweit nur, ob eine am 01.12.2014 angeordnete Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen hat. Darauf, ob der Betroffene den Anhörungsbogen erhalten hat, was nach seiner Behauptung nicht der Fall gewesen sein soll, kommt es nicht an. Maßgeblich ist auch schon die bloße Anordnung der Anhörung, nicht deren erfolgreiche Vollziehung (vgl. BGH NJW 1972, 2006; Gürtler in: Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 33 Rdn. 6b m.w.N.). Diese Anordnung ist erfolgt. Der Senat hat das Nichtvorliegen des Verfahrenshindernisses der Verjährung freibeweislich aufgeklärt.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbricht bereits die Anordnung der Vernehmung oder die Bekanntgabe, dass gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, die Verjährung. Bei der Erstellung und der Absendung der schriftlichen Anhörung handelt es sich jedenfalls um eine Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens an den Betroffenen i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (vgl. OLG Hamm NZV 2006, 390, 391 m.w.N.). Als schriftliche Unterbrechungshandlung (vgl. § 33 Abs. 2 OWiG) kommt nicht nur eine unterschriebene Unterbrechungshandlung in Betracht, sondern entscheidend ist, ob der geäußerte Wille der Unterbrechungshandlung eindeutig festgestellt werden kann. Für die Wirksamkeit der Anordnung, dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt zu geben, ist es ausreichend, dass sich für deren Zeitpunkt und Inhalt konkrete Anhaltspunkte aus den Akten ergeben (BGH, Beschl. v. 22.05.2006 - 5 StR 578/05).

Hier wurde die schriftliche Anhörung am 01.12.2015 angeordnet und versandt. Dies ergibt sich hier aus der Verfahrenshistorie der Bußgeldbehörde ("Statusblatt zu AZ. #####" vom 28.02.2015). Aus diesem ergibt sich zunächst, dass sich das Statusblatt tatsächlich auf den Beschwerdeführer und den abgeurteilten Tatvorwurf bezieht. Weiter ist dort unter dem Datum 01.12.2014 vermerkt: "Schriftliche Anhörung erstellt" und: "Anhörung ausgedruckt". Bei letztgenanntem Eintrag ist handschriftlich hinzugefügt "+ versandt", gefolgt von dem Kürzel des Sachbearbeiters. Unmittelbar vor diesen Eintragungen ist für den 01.12.2014 ein "Betroffenenwechsel" vermerkt, nachdem zuvor eine Fahrerermittlung eingeleitet worden war. Der zuständige Sachbearbeiter der Bußgeldbehörde, Herr C, hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass ein automatisierter Versandeintrag nur in der Verfahrenshistorie beim Bußgeldbescheid wegen der Versendung per Postzustellungsurkunde erfolge, nicht aber bei der Versendung des Anhörungsbogens mit einfacher Post. Der Versand des Anhörungsbogens erfolge automatisiert durch eine an anderer Stelle ansässige Zentralstelle. Wenn er den Versand deswegen handschriftlich auf der Verfahrenshistorie vermerkt habe, so sei dies nicht aufgrund eigener Beobachtung geschehen, sondern weil, er davon ausgehe, dass wenn der Anhörungsbogen durch ihn erstellt, dieser auch versandt worden sei. Ob es im konkreten Einzelfall ggf. wegen eines Fehlers bei der Zentralstelle nicht zur Versendung des Anhörungsbogens gekommen ist,...

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