Leitsatz (amtlich)

Ist keines der an einem Gerichtsstandbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beteiligten Gerichte zuständig und steht das zuständige Gericht nicht sicher fest, verweist das mit der Gerichtsstandbestimmung befasste Gericht das Verfahren unter Aufhebung des Verweisungsbeschlusses an das zuerst verweisende Gericht zurück, damit dieses die Zuständigkeitsfrage erneut prüfen und entscheiden kann.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 12.03.2015; Aktenzeichen 17 V 13/15)

 

Tenor

Der Verweisungsbeschluss des AG Essen vom 12.03.2015 wird aufgehoben. Die Sache wird an das AG Essen zurückverwiesen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die Erstattung der sonstigen Kosten richtet sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz in Höhe von 745,40 EUR nebst Zinsen für ihm entstandene Rechtsanwaltskosten, nachdem er die Beklagte, die nach den Behauptungen des Klägers mit ihm in einem Wettbewerbsverhältnis steht, durch ein anwaltliches Schreiben auf Unterlassung der Verwendung einer Widerrufsbelehrung im gewerblichen Verkehr in Anspruch genommen hat.

Er hat die Forderung zunächst mit einem Mahnbescheid geltend gemacht. Nachdem die Beklagte Widerspruch eingelegt hat, ist das Verfahren an das im Mahnbescheid angegebene Abgabegericht, das AG Essen, in dessen Bezirk die von dem Kläger angegebene Anschrift der Beklagten liegt, abgegeben worden.

Das AG Essen hat den Kläger darauf hingewiesen, Streitigkeiten nach dem Urhebergesetz seien gem. § 105 UrhG i.V.m. § 2 DeUrhMRZusVO NRW dem AG Bochum zugewiesen.

Der Kläger hat daraufhin hilfsweise einen Antrag auf Verweisung an das AG Bochum gestellt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass eine Urheberrechtsstreitigkeit nicht vorliege. Die Beklagte hat der Verweisung zugestimmt.

Das AG Essen hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12.03.2015 an das AG Bochum verwiesen. Die Streitigkeit stelle ein Urheberrechtsstreitsache im Sinne von § 104 UrhG dar, weil die geltend gemachte Gebührenforderung auf der behaupteten Urheberrechtsverletzung beruhe.

Das AG Bochum hat durch Beschluss vom 07.05.2015 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt, da die Verweisung offensichtlich willkürlich erfolgt sei.

II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen den beteiligten AGen, deren im Rechtszug nächsthöheres Gericht es ist, berufen.

2. Die Voraussetzungen an eine "rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung" gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Beide AGe haben sich durch Beschluss für unzuständig erklärt, das AG Essen in dem Verweisungsbeschluss vom 12.03.2015 und das AG Bochum durch den die Übernahme ablehnenden Beschluss vom 07.05.2015. Ausdrücklich muss die Unzuständigkeit nicht erklärt werden, soweit Zweifel nicht bestehen und der Vorgang insgesamt nicht lediglich gerichtsintern geblieben ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 25 m.w.N.). Auch wenn das AG Bochum nach der Formulierung in seinem Beschluss die eigene Unzuständigkeit nicht ausdrücklich verneint hat, hat es mit der Ablehnung der Übernahme und durch den Verweis auf die Willkür des Verweisungsbeschlusses insgesamt doch insgesamt unzweifelhaft und nach außen zu verstehen gegeben, dass es den Verweisungsbeschluss als nicht bindend und sich als unzuständig ansieht.

3. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands liegen nicht vor.

Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO muss eines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben (s Rn 24), tatsächlich zuständig sein (Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO, Rn. 27). Eine Gerichtsstandsbestimmung ist dann abzulehnen, wenn ein drittes Gericht zuständig ist. Aus Gründen der Prozessökonomie hat die Rechtsprechung von diesem Grundsatz Ausnahmen zugelassen, wenn die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts feststeht und ein Verweisungsantrag des Klägers dorthin gestellt ist (BGH, Beschluss vom 15.3.1978 - IV ARZ 17/78 -, BGHZ 71, 69-75, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 10.8.1994 - X ARZ 689/94 -, Rn. 6, juris) oder wenn bei dem dritten Gericht zwar kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, dieses aber aufgrund eines bindenden Verweisungsbeschlusses gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO zuständig geworden ist (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24.1.2003 - 1Z AR 4/03 -, Rn. 12, juris). Im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist es jedoch nicht Aufgabe des bestimmenden Gerichts, die Tatsachen zu ermitteln, die erforderlich sind, um zu entscheiden, ob eines der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte oder ein drittes, am Kompetenzkonflikt bisher unbeteiligtes Gericht nach dem Gesetz für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist (BGH, Beschluss vom 10.8.1994 - X ARZ 689/94 -, Rn. 7, juris). Steht ein zuständiges drittes Gericht nicht sicher fest, ist daher an das verweisende Gericht zurückzugeben, damit dieses ggfs. ...

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