Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Auswirkungen, wenn der Tatrichter den verwirklichten Ordnungswidrigkeitentatbestand nicht anführt, zur Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren und zur Feststellung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen

 

Verfahrensgang

AG Minden (Entscheidung vom 22.01.2003)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Minden hat durch Urteil vom 22.01.2003 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 175,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Das Amtsgericht hat zur Person des Betroffenen festgestellt, dass er sechs einschlägige Voreintragungen aufweist.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 10.05.2002 gegen 5.15 Uhr befuhr der Betroffene in Bad Oeynhausen die BAB 2 zwischen den Kilometern 300 und 299 Richtung Hannover als Führer und Halter des Pkw BMW XXXXXX. Im dortigen Bereich ist die Geschwindigkeit auf 120 km/h beschränkt. Mit dem Messfahrzeug der Polizei Pkw, Typ Opel Omega, amtliches Kennzeichen XXXXXX, Tachometer justiert am 09.01.2002 mit einem Skalenendwert von 260 km/h wurde zwischen den Kilometern 300 und 299 bei einem gleich bleibenden Abstand von 150 m eine Geschwindigkeit von 200 km/h abgelesen. Unter Abzug von 15 % der abgelesenen Geschwindigkeit ergab sich somit eine vorwerfbare Mindestgeschwindigkeit von 170 km/h."

Nach den weiteren Ausführungen des Amtsgerichts haben die vernommenen Zeugen in der Hauptverhandlung in klarer überzeugender Weise den Vorgang des Nachfahrens geschildert und insbesondere deutlich gemacht, dass ein gleich bleibender Abstand vorlag.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Aufgrund dieses festgestellten Sachverhalts steht fest, dass der Betroffene zumindest fahrlässig die dort vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h überschritten hat. Unter Zugrundelegung der von den Zeugen abgelesenen Geschwindigkeit von 200 km/h musste deshalb von einer verwertbaren Geschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung der Vorbelastungen erschien es deshalb notwendig und erforderlich zu sein, gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 155 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Einer Erörterung der außerdem erhobenen Verfahrensrüge bedurfte es daher nicht.

Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Amtsgericht habe den durch den Betroffenen verwirklichten Ordnungswidrigkeitentatbestand nicht festgestellt, führt dies allerdings nicht schon zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat folgt insoweit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, die dazu Folgendes ausgeführt hat:

"Zwar müssen die Urteilsgründe in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck bringen, welchen gesetzlichen Tatbestand das Gericht als erfüllt ansieht und welche Vorschriften für die Bemessung der Rechtsfolgen maßgeblich waren. Der Urteilstenor und die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, gegen welche Tatbestände ein Betroffener verstoßen hat. Mit der Nichtanführung des angewandten Ordnungswidrigkeitentatbestandes kann eine Rechtsbeschwerde aber nur dann Erfolg habe, wenn auch nach Heranziehung der Urteilsformel und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe zweifelhaft bleibt, welchen Ordnungswidrigkeitentatbestand das Gericht als erfüllt ansieht. Nur in einem derartigen Fall kann das Urteil auf einem Mangel des § 267 Abs. 3 StPO beruhen. Selbst das vollständige Fehlen der Bezeichnung des zur Anwendung gebrachten Ordnungswidrigkeitentatbestandes kann unbeachtlich sein, wenn das Urteil seinen Wortlaut wiedergibt (LR-Gollwitzer StPO, 24. Aufl. § 267 Rdn 75). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil noch, weil dem Tenor in Verbindung mit den Urteilsgründen hinreichend entnommen werden kann, dass der Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft schuldig gesprochen worden ist."

Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils konnte jedoch keinen Bestand haben, da die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht tragen. An die Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung ermög...

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