Leitsatz (amtlich)

Zum Vorsatz hinsichtlich der Inbetriebnahme eines Lkw mit mangelhaften Bremsen.

 

Verfahrensgang

AG Soest (Entscheidung vom 16.11.2006)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Soest zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen "fahrlässiger Inbetriebnahme eines LKWs mit mangelhaften Bremsen und vorsätzlicher Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts um 3,38%" zu einer Geldbuße von 300,00 Euro verurteilt worden.

Das Amtsgericht hat zum objektiven Geschehensablauf folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene befuhr am 15.04.2006 gegen 05:00 Uhr in Ense die BAB A 445 mit einem Sattelzug mit Anhänger, amtliches Kennzeichen GT xxxxx. Das Fahrzeug wies erhebliche Mängel auf, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wurde. Der Bremsmantel (Bremsscheibe vorne) war gerissen. Darüber hinaus war die Fahrzeugkombination um 1.350 kg (3,38%) überschritten. Das festgestellte Gesamtgewicht betrug dementsprechend 41.350 kg, wogegen das zulässige Gesamtgewicht lediglich 40.000 kg beträgt."

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die in zulässiger Weise mit verschiedenen Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge begründet worden ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.

II.

Dem zulässigen Rechtsmittel ist ein jedenfalls vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.

1.

Dem angefochtenen Urteil ist schon nicht klar zu entnehmen, ob das Gericht von tateinheitlicher oder tatmehrheitlicher Begehungsweise ausgegangen ist. Ausführungen dazu fehlen in den Urteilsgründen. Während die Verhängung nur einer Geldbuße für die Annahme von Tateinheit spricht, legt die Abfassung des Tenors ("und") Tatmehrheit nahe. Tatsächlich sind die beiden Ordnungswidrigkeitentatbestände tateinheitlich begangen worden (vgl. Hentschel, StVR, 37. Auflage, § 41 StVZO Rdnr. 27), so daß die Rechtsbeschwerde insgesamt statthaft ist.

2.

Einen durchgreifenden Rechtsfehler stellt dar, daß sich Tenor und Urteilsgründe hinsichtlich der Schuldform teilweise schon nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Die Wertung des Gerichts in den Urteilsgründen als jeweils vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten hält zudem der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

a)

Während das Amtsgericht den Betroffenen wegen "fahrlässiger Inbetriebnahme eines LKWs mit mangelhaften Bremsen und vorsätzlicher Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts um 3,38%" verurteilt hat, führt es in den Urteilsgründen aus, der Betroffene habe sich "damit zur Überzeugung des Gerichts eines vorsätzlichen Verstoßes gemäß der im Tenor genannten Vorschriften schuldig gemacht". Im Weiteren wird ausgeführt, daß der Betroffene hinsichtlich beider Bußgeldtatbestände zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.

b)

Soweit das Amtsgericht die Einlassung des Betroffenen, er habe nicht auf die beigeführte Wiegekarte geschaut und deshalb versehentlich überladen die Fahrt angetreten, als widerlegt angesehen hat und insoweit jedenfalls vom Vorliegen bedingten Vorsatzes (richtig: dolus eventualis, nicht Solus eventualis) ausgegangen ist, hält dies der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt:

"Hinsichtlich der nicht Einsichtnahme in die mitgeführte Wiegekarte erscheint schon seine Einlassung unglaubwürdig. Ein Berufskraftfahrer, wie der Betroffene, würde wohl kaum eine Fahrt antreten und darauf verzichten, auf die mitgeführte Wiegekarte einen Blick zu werfen. Falls dies tatsächlich so gewesen sein sollte, handelte es sich gleichwohl um eine Vorsatztat, da der Betroffene mindestens billigend in Kauf nahm, dass sein Fahrzeug überladen ist. Es ist die selbstverständliche Übung und Pflicht eines Berufskraftfahrers vor Fahrtantritt festzustellen, ob eine Überladung vorliegt. Der Verzicht auf die Einsichtnahme einer mitgeführten Wiegekarte erscheint dem Gericht als eine erhebliche Dreistigkeit und der Betroffene weiß oder muss wissen, dass er damit möglicherweise mit einem überladenen Fahrzeug seine Fahrt antritt (Solos eventualis)."

Die gerichtliche Annahme, ein Berufskraftfahrer wie der Betroffene würde wohl kaum vor Fahrtantritt darauf verzichten, auf eine mitgeführte Wiegekarte zu schauen, stellt - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen und Erwägungen - eine durch nichts gestützte Spekulation des Gerichts dar, die nicht geeignet ist, die Einlassung des Betroffenen zu widerlegen. Das Amtsgericht hat weder verwertbare Feststellungen zur üblichen Sorgfalt des Betroffenen noch zur Sorgfalt in diesem speziellen Fall getroffen. Es ist auch nicht ermittelt worden, unter welchen näheren Umständen der Betroffene die Wiegekarte erhalten hat. Das Gericht hätte zudem bedenken müssen, daß sich aus der Wiegekarte ein Gesamtgewicht von 41.350 kg ergeben hat und die nach Ansi...

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