Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein sog. ewiges Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. besteht, ist weiterhin maßgeblich zu beachten das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2019 (Rust-Hackner). Das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (NJW 2022, 40) ändert daran nichts. Abgrenzung (u.a.) zu VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juli 2022.

 

Normenkette

VVG a.F. § 5a

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.03.2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das vorgenannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.301,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen. Sie ist offensichtlich unbegründet. Zudem hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Einwendungen der Klägerin hiergegen bleiben ohne Erfolg.

Der Senat nimmt zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 27.07.2022. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin zum Hinweisbeschluss fest.

I. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche bereits aus dem Grunde nicht zu, weil die Widerspruchsbelehrung sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht den Anforderungen des § 5a VVG a.F. genügt und die Klägerin neben den Versicherungsbedingungen sämtliche Verbraucherinformationen nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes a.F. und die Widerspruchsbelehrung erhalten hat. Der Klägerin ist es aus diesem Grunde nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich auf die angebliche Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt die Belehrung nicht nur den formalen, sondern auch den inhaltlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F.

Insbesondere sind - in inhaltlicher Hinsicht - die fristauslösenden Unterlagen hinreichend genau bezeichnet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt der Begriff "Versicherungsurkunde", auf deren Erhalt die Belehrung abstellt, zumindest vorliegend kein Synonym für "Versicherungspolice" dar. Der Verweis der Klägerin auf ein Kreuzworträtsel-Lexikon liegt neben der Sache. Entscheidend ist nicht, wie jemand, der ein Kreuzworträtsel löst, den Begriff versteht, sondern, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Begriff versteht. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird aber mühelos erkennen, dass die Versicherungsurkunde nicht nur aus der Police, sondern eben aus dem gesamten, gebundenen und gelochten Konvolut, auf dessen Deckblatt unübersehbar das Wort "Versicherungsurkunde" steht, besteht. Sollte sich ihm dies nicht auf dem ersten Blick erschließen, was der Senat aber ausschließt, wird er dies spätestens beim Durchblättern der Urkunde erkennen, da jede einzelne Seite unübersehbar die Überschrift "Versicherungsurkunde" trägt.

In der Versicherungsurkunde sind aber sämtliche Unterlagen enthalten, welche für die Fristauslösung nach § 5a VVG a.F. maßgeblich sind. Dies wird dem Versicherungsnehmer durch die Belehrung eindeutig vor Augen geführt. Es bedarf vorliegend keiner ausdrücklichen Benennung der einzelnen Unterlagen und auch keiner Erläuterung, dass für den Beginn der Frist neben dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation maßgeblich sind. Der Einwand der Klägerin, dass die Police, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nach § 10a VAG in der Belehrung explizit genannt werden müssen, geht daher fehl. Entscheidend und ausreichend ist es, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens dem Versicherungsnehmer ausreichend verdeutlicht, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2016 - IV ZR 558/15). Dies ist hier der Fall.

2. Für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist ausschließlich auf die Belehrung in dem Policenbegleitschreiben abzustellen. Es ist unerheblich, dass in dem Antragsformular eine weitere Belehrung vorhanden ist. Wenn - wie hier - mit der Belehrung im Policenbegleitschreiben - eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2015, IV ZR 71/14.). Dies ist hier nicht der Fall. Dem steht nicht entgegen, dass in der Belehrung in dem Antragsformular eine unzu...

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