Verfahrensgang

AG Ibbenbüren (Aktenzeichen 44 F 210/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Eltern wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ibbenbüren vom 11.12.2019 (44 F 210/19) abgeändert.

1.) Es bleibt bei dem Sorgerecht der Eltern.

2.) Dem Jugendamt J wird aufgegeben, das Kind S an die Eltern herauszugeben.

3.) Den Eltern wird aufgegeben, bis zur Beendigung des Sorgerechts-Hauptsacheverfahrens

eine Familienhebamme zuzulassen

eine sozialpädagogische Familienhilfe zuzulassen

mindestens eine der beiden Personen täglich nach Absprache in die Wohnung zu lassen.

4.) Der Mutter wird darüber hinaus aufgegeben, bis zur Beendigung des SorgerechtsHauptsacheverfahrens

mindestens eine Maßnahme - möglichst zwei oder drei Maßnahmen - zur Verbesserung ihres mütterlichen Beziehungsangebots (z.B. Marte Meo-Kurs, Besuch eines Müttercafés, Teilnahme beim Babyschwimmen) zu beginnen und verlässlich durchzuführen.

5.) Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

6.) Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.) Im Streit steht eine einstweilige Anordnung, durch die den Eltern wesentliche Teile des Sorgerechts, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen und dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen wurden.

Aus der nichtehelichen Beziehung der am ....06.2000 geborenen Mutter und des am ....12.1992 geborenen Vaters ging am ....12.2019 das betroffene Kind S hervor. Es wurde aufgrund der angefochtenen einstweiligen Anordnung noch am Tag seiner Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht.

Beide Eltern haben, jeweils aus anderen Beziehungen, je ein weiteres Kind.

Bei dem weiteren Kind des Vaters handelt es sich um Q, geb. am ....02.2013. Q lebt in einer Dauerpflegefamilie, nachdem den Eltern durch Beschluss des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 02.01.2015 (44 F 222/13) die Personensorge entzogen und dem Jugendamt übertragen worden war. In jenem Verfahren war ein psychologisches Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. F eingeholt worden. Diese führte zum Vater aus, dass seine Mutter an Krebs verstorben sei. Zuletzt sei sie zu Hause gepflegt worden. Sie sei verstorben, als er 11 Jahre alt gewesen sei. Er sei hierdurch sehr belastet gewesen. Er habe vier Geschwister. Bei ihm sei eine distanziert-beziehungsabweisende Einstellung vorhanden. Er gebe an, auch ohne enge zwischenmenschliche Beziehung gut leben zu können. Er erkenne nicht kindliche Bedürfnisse. Teilweise könne er seine eigenen Impulse nicht hinreichend kontrollieren. Auf kleinste Ärgernisse habe er unverhältnismäßig reagiert.

Bei dem weiteren Kind der Mutter handelt es sich um C, geb. am ....04.2018. Mit diesem Kind lebte die Mutter, die bei seiner Geburt erst 17 Jahre alt war, noch in ihrem elterlichen Haushalt. Dort hatte sie ein kleines Zimmer zur Verfügung. Der Mutter wurde angeraten, sich mit C in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu begeben. Ein kurzer Aufenthalt erfolgte noch vor C's Geburt. Diesen beendete die Mutter, weil sie sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen fühlte. Gegenüber der Verfahrensbeiständin gab sie an, sie habe die Hilfe nicht gebraucht, sei selbständig und könne alles allein. Sie fühle sich in der Einrichtung kontrolliert. Es falle ihr schwer, sich anzupassen. Stress gehe sie gerne aus dem Weg.

Nach C's Geburt kam es zwischen der Mutter und ihren Eltern immer wieder zu Streitigkeiten. Nach eigenen Angaben der Mutter gegenüber der Verfahrensbeiständin blickte der Sohn sie anfangs nicht an. Ihr Zimmer zu Hause sei sehr klein, sie habe aber nicht allein sein können und sei mit ihrem Sohn zu ihren Freunden nach J gegangen. Vom Helfersystem (Familienhebamme, ambulante Familienhilfe, Jugendamt) wurde berichtet, die Mutter zeige wenig mütterliche Kompetenzen und nehme Hilfsangebote nur widerwillig und oberflächlich an. Die Mutter habe wenig Kontakt zu C. Innerhalb des Familiensystems gebe es viele Konflikte und Streit. Der Großvater sei sehr dominant. Zwei Geschwister der Mutter lebten in einer Wohngruppe.

C infizierte sich in der Obhut der Mutter mit Krätze. Auch andere Hauterkrankungen wurden diagnostiziert bzw. in Betracht gezogen. Eine Behandlung erfolgte, war jedoch nur schleppend erfolgreich.

Das Jugendamt berichtete, C sei unter der Obhut der Mutter ständig hin und her gereicht worden. Er habe keine feste Tagesstruktur erlebt. Zudem sei er oftmals den lautstarken Auseinandersetzungen innerhalb der Familie ausgesetzt gewesen. Die Mutter habe ihren Sohn nicht angemessen ernährt (Obstgläschen statt Gemüse und Fleisch in Breiform). Die hygienischen Zustände seien grenzwertig gewesen. Die Zusammenarbeit mit der Mutter, aber auch mit den Großeltern, sei durch immer wiederkehrende Meinungsverschiedenheiten erschwert worden, so dass die Hilfe nicht adäquat habe greifen können.

Im Oktober 2018 wurde C in Obhut genommen. Das Amtsgericht entzog der Mutter mit Beschluss vom 13.11.2018 (44 F 3...

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