Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verzicht auf eine Begründung der Kostenentscheidung ist regelmäßig nicht als Rechtsmittelverzicht zu verstehen.

2. Beenden die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, in dem sie dem Gericht die Kostenentscheidung überlassen, ist für die Bemessung der Kostenquote eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Parteien nach dem Maßstab überwiegender Wahrscheinlichkeit geboten, denn § 98 ZPO ist nicht anwendbar und auf das Maß des gegenseitigen Nachgebens darf das Gericht nicht abstellen.

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 98

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 21 O 185/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen vom 13.2.2002, ergänzt durch die Begründung vom 16.5.2002, wird der angefochtene Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Von den nach einem Beschwerdewert bis zu 2.000 Euro zu bemessenden Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 58 % und die Beklagte 42 %.

 

Gründe

Nachdem sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 4.2.2002 vor dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen vergleichsweise geeinigt haben, dass die Beklagte zur Abgeltung sämtlicher in diesem Rechtsstreit berührter Forderungen an die Klägerin noch 3.030,73 Euro zahlt, und das Gericht ersucht haben, über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO zu entscheiden, wobei auf eine Begründung verzichtet wurde, hat der Vorsitzende durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits einschl. des Vergleichs gegeneinander aufgehoben.

Mit der sofortigen Beschwerde will die Klägerin eine Kostenquotelung von 1/10 zu 9/10 zu Lasten der Beklagten erreichen. Der Vorsitzende hat seine Entscheidung nachträglich begründet.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

Über das Rechtsmittel entscheidet der Senat und nicht gem. § 568 ZPO eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung, die der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen nach § 349 Abs. 2 Nr. 12 ZPO getroffen hat, keine von einem Einzelrichter (§§ 348, 348a ZPO) getroffene Entscheidung ist, was sich aus §§ 349 Abs. 4, 350 ZPO ergibt (OLG Karlsruhe v. 23.4.2002 – 3A W 50/02, OLGReport Karlsruhe 2002, 198 = MDR 2002, 778).

Die nach § 91a Abs. 2 S. 1 statthafte sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) ist zulässig. Die Einigung der Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 13.2.2002, über die Kosten des Rechtsstreits einschl. des Vergleichs solle das Gericht entscheiden, wobei auf eine Begründung verzichtet werde, ist kein zweifelsfreier Rechtsmittelverzicht. Nach der Neufassung des § 515 ZPO kann ein Rechtsmittelverzicht zwar auch schon vor Verkündung der gerichtlichen Entscheidung, und zwar einseitig wirksam erklärt werden (Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 515 ZPO Rz. 1; anders noch zum alten Recht: OLG Hamm v. 4.6.1999 – 9 W 9/99, NJW-RR 2000, 212). Entgegen der jedenfalls früheren Auffassung anderer Senate des OLG Hamm, ein Rechtsmittelverzicht liege bereits dann vor, wenn sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich über den prozessualen Anspruch einigen, dem Gericht die Kostenentscheidung übertragen und zugleich auf deren Begründung verzichten (OLG Hamm v. 12.12.1998 – 22 W 95/88, MDR 1989, 919; OLG Hamm v. 7.9.1992 – 20 W 30/92, NJW-RR 1993, 827; OLG Hamm v. 30.12.1993 – 12 W 17/93, OLGReport Hamm 1994, 71 = NJW-RR 1994, 1407) hält der erk. Senat daran fest, dass ein Rechtsmittelverzicht unmissverständlich erklärt werden muss (OLG München JurBüro 1981, 892; OLG Köln KostRspr BRAGO § 9 Nr. 43, zumindest tendenziell auch: OLG Hamm v. 4.6.1999 – 9 W 9/99, NJW-RR 2000, 212). Ein Begründungsverzicht ist deshalb nicht ohne weiteres ein Rechtsmittelverzicht. Bei dem Verzicht auf eine Begründung gehen die Parteien erkennbar davon aus, dass das Gericht eine für beide Seiten akzeptable Kostenentscheidung treffen wird. Diese Erklärung lässt sich nicht zwanglos dahin auslegen, dass die Parteien auch bereit sind, eine fehlerhafte Kostenentscheidung hinzunehmen (Schneider, MDR 2001, 1010). Das Argument, ein Kostenbeschluss nach § 91a ZPO dürfe schließlich nur dann ohne Begründung bleiben, wenn er keinem Rechtsmittel unterliege, ist nur scheinbar zwingend, denn es setzt voraus, was zu beweisen ist.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Gericht gem. § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Vorschrift und nicht § 98 ZPO, der mangels Vereinbarung der Parteien eine Aufhebung der Prozess- und Vergleichskosten vorsieht, ist für die Kostenentscheidung auch dann maßgeblich, wenn die Parteien in einem Vergleich eine Kostenvereinbarung dahin gehend getroffen haben, dass sie die Entscheidung über die Kosten dem Gericht überlassen (Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 9...

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