Leitsatz (amtlich)

Hält sich das angerufene Gericht - irrtümlich, weil § 30 ZPO nicht berücksichtigt wird - bei einem von mehreren Beklagten für unzuständig, hat es - gegebenenfalls von Amts wegen - die Frage der Prozesstrennung zu prüfen und kann allenfalls nach einer solchen das abgetrennte Verfahren gegen den Beklagten verweisen, für den es nach seiner Rechtsauffassung unzuständig ist. Eine Verweisung ohne Prozesstrennung für beide Beklagten, die die Zuständigkeit für einen der Beklagten übergeht, kann bereits aus diesem Grund - und unabhängig von der Frage, ob auch die Regelung des § 30 ZPO grob fehlerhaft übersehen wurde - als willkürlich zu beurteilen sein.

 

Verfahrensgang

AG Marl (Aktenzeichen 16 C 308/15)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Marl.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz für einen behaupteten Transportschaden. Der in T (Bayern) wohnhafte Kläger hatte in den U.S.A. ein Motorrad gekauft. Mit dessen Transport an seinen Wohnsitz beauftragte er die Beklagte zu 2) mit Sitz in C. Die Beklagte zu 2) wiederum beauftragte den in D ansässigen Beklagten zu 1) damit, das Motorrad zu dem Kläger zu transportieren. Auf dem Transport soll das Motorrad nach der Behauptung des Klägers beschädigt worden sein.

Der Kläger hatte nach vorausgegangenem Mahnverfahren zunächst nur den Beklagten zu 1) gerichtlich in Anspruch genommen, und zwar vor dem Amtsgericht Neu-Ulm, das sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 30.06.2015 (Az. 7 C 399/15) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Marl verwiesen hat, in dessen Bezirk der Beklagte zu 1) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Mit Schriftsatz vom 20.01.2016 hat der Kläger seine Klage gegen die Beklagte zu 2) vor dem Amtsgericht Marl erweitert.

Nachdem in der Folge mehrere Termine zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme durchgeführt worden waren, hat das Amtsgericht Marl die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.11.2017 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der gegen die Beklagten zu 2) erhobenen Klage seine Zuständigkeit nicht ersichtlich sei. Im Verlauf der Verhandlung hat die Beklagte zu 2) die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Marl gerügt. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2017 hat daraufhin der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Bremerhaven beantragt. Der Beklagte zu 1) wiederum hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.01.2018 der auf ihn bezogenen Verweisung an das Amtsgericht Bremerhaven widersprochen. Mit Beschluss vom 09.01.2018 hat sich das Amtsgericht Marl für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bremerhaven verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Marl im Wesentlichen ausgeführt, dass es hinsichtlich der Beklagten zu 2) aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig sei. Der einzig gemeinsame Gerichtsstand der Beklagten befinde sich in Bremverhaven, in dessen Bezirk die Beklagte zu 2) ihren Sitz habe und in dem sich auch der Ort der behaupteten unerlaubten Handlung befinde. Vor diesem Hintergrund sei die Verweisung des gesamten Rechtsstreits an das Amtsgericht Bremerhaven sachdienlich.

Das Amtsgericht Bremerhaven hat die Übernahme des Verfahrens nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 28.02.2018, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgelehnt. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Marl sei rechtlich unzutreffend und willkürlich. Hinsichtlich des Beklagten zu 1) folge dies bereits darauf, dass dieser beim Amtsgericht Marl seinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) ergebe sich dies nicht zuletzt daraus, dass die Beklagte zu 2) bereits in den Verhandlungsterminen vom 16.03.2016, 16.12.2016 und 26.04.2017 rügelos zur Hauptsache verhandelt habe.

Mit Vermerk vom 23.03.2018, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Marl dargelegt, dass es die Auffassung des Amtsgerichts Bremerhaven nicht teile, zumal eine Zuständigkeit infolge rügelose Einlassung der Beklagten zu 2) mangels entsprechenden vorherigen gerichtlichen Hinweises gemäß § 504 ZPO nicht begründet worden sei.

Daraufhin ist das Verfahren dem Senat zur Entscheidung nach § 36 ZPO vorgelegt worden. Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 29.03.2018 angehört. Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2018 um Entscheidung gebeten; die Beklagten haben sich nicht geäußert.

II. Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Die Amtsgerichte Marl und Bremerhaven haben sich beide im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Marl hat den Rechtsstreit durch den grundsätzlich gem...

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