Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 30.06.2011; Aktenzeichen 4 O 106/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 30.06.2011 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Beschwerdebegründung verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Ein Entschädigungsanspruch nach § 21 AGG kommt nicht in Betracht.

Die von der Antragsgegnerin geforderten ausreichenden Sprachkenntnisse sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, weil das Verlangen, die deutsche Sprache hinreichend zu beherrschen, nicht an eines der in § 1 AGG genannten Merkmale anknüpft. Die deutsche Sprache kann nämlich auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Ethnie beherrscht werden ( BAG NZA 2010, 625, 626).

Auch eine mittelbare Benachteiligung kommt nach § 3 Abs. 2 AGG nicht in Betracht, weil die gestellten Anforderungen der Antragsgegnerin hier durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und auch die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind.

Angesichts des hochkomplizierten medizinischen Eingriffs mit einer entsprechend intensiven Nachsorge ist es gerechtfertigt, dass ein hinreichendes sprachliches Verständnis gefordert wird, um einen ausreichenden Kontakt zwischen Ärzten und Patienten zu ermöglichen, insbesondere auch bei Notfällen, die in solch einem Transplantationsverfahren immer möglich sind. Dies kann nur durch Erlernen der deutschen Sprache sichergestellt werden und nicht durch eine permanente Dolmetschertätigkeit, die praktisch und bei Notfällen gar nicht durchführbar ist.

Vor diesem Hintergrund kommen nur Ansprüche aus Vertrag oder unerlaubter Handlung in Betracht, die aber ein Verschulden voraussetzen, das hier nicht anzunehmen ist.

Die Antragsgegnerin hat sich bei ihrer Entscheidung entsprechend § 16 Abs. 1 Nr. 2 TPG an die vorliegenden Richtlinien der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz- und Lungen-Transplantation gehalten und die Entscheidung danach nicht ermessensfehlerhaft begründet.

Es wurde in einem Zeitraum vom 31.03. bis zum 28.04.2010 zunächst eine medizinische Evaluation vorgenommen, um medizinische Kontraindikationen auszuschließen. Anschließend erfolgte eine mehrwöchige Therapie zur Besserung der pulmonalen Hypertonie, die aber ohne ausreichenden Erfolg war.

Sowohl im Rahmen der eigenen Untersuchungen als auch bei Behandlungen in der X-Klinik mussten die Ärzte - trotz Einsatzes von Dolmetschern - feststellen, dass eine Verständigung mit dem Antragsteller kaum möglich war. Deswegen konnte zu Recht bei der Antragsgegnerin aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller sich bereits seit Jahren in Deutschland befindet und trotz der schon ein Jahr zuvor erfolgten dringenden Empfehlung, seine deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern, nur ein kaum vorhandener deutscher Sprachschatz vorhanden war, der Eindruck entstehen, dass es an der Bereitschaft oder Fähigkeit des Antragstellers fehlte, an den erforderlichen Vor- und Nachuntersuchungen- bzw. behandlungen mitzuwirken. Wie bereits ausgeführt kann dies auch nicht durch eine permanente Dolmetschertätigkeit kompensiert werden.

Soweit vor einer endgültigen Ablehnung über die Aufnahme in die Warteliste der Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person einzuholen ist, hat die Antragsgegnerin dargelegt, dass dies durch eine bei der Antragsgegnerin angestellte Psychologin erfolgt ist, die von ihr auch als Zeugin benannt worden ist.

Angesichts der von der Antragsgegnerin ausführlich dargestellten Ermittlung über das persönliche Umfeld des Antragstellers spricht einiger Beweis dafür, dass ein psychologisches Gespräch stattgefunden hat und die Antragsgegnerin folglich auch ihre Behauptung nachweisen kann. Dagegen spricht nicht, dass die psychologische Dokumentation nicht übermittelt worden ist, weil es diesbezüglich höchst umstritten ist, ob dem Patienten in seine psychologischen Unterlagen ein Einsichtsrecht zusteht. Ob es bei dem Gespräch aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zu Übermittlungsfehlern gekommen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben. Auch die vom Antragsteller angeführten weiteren verwandtschaftlichen Beziehungen rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme, dass ein Gespräch gar nicht stattgefunden hat bzw. aufgrund fehlerhafter Ermittlungen die Entscheidung ermessensfehlerhaft getroffen wurde; denn die von der Antragsgegnerin gemachten Angaben sind auch nach der jetzigen Darstellung des Antragstellers in den entscheidenden Punkten nicht falsch. Tatsächlich lebte er nämlich allein, und zwar in Y, also in der Nähe von Oldenburg, während seine weiteren Familienmitglieder in Ahlhorn und damit nicht an seinem Wohnort wohnten. Es ist daher nachvollziehbar, wenn es nach dem Eindruck der Antragsgegnerin nur eine Tochter des Antragstellers gab, die überhaupt selbst über ...

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