Leitsatz (amtlich)

1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht sind in entsprechender Anwendung des § 5 I 4 FamFG auch dann gegeben, wenn verschiedene Abteilungen desselben Gerichts durch nicht rechtskräftige Verfügungen ihre Kompetenz leugnen und die Unzuständigkeitserklärungen den Verfahrensbeteiligten zumindest bekannt gemacht worden sind.

2. Das für die Vollstreckung zur Erzwingung von Duldungen oder Unterlassungen nach den §§ 95 I Nr. 4 FamFG, 890 I 1 ZPO ausschließlich zuständige Prozessgericht des ersten Rechtszuges ist das Zivilgericht, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen wurde, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Erkenntnisverfahren eine Zivilsache entschieden worden ist. Darauf, ob es sich bei dem Vollstreckungsverfahren nach der Überleitensvorschrift des Art. 111 I 1 FGG-RG um eine Familiensache handelt, weil der Gegenstand des Erkenntnisverfahrens nach dem Inkrafttreten des Familienverfahrensgesetzes eine Familiensache wäre und das Vollstreckungsverfahren nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, kommt es nicht an.

 

Normenkette

FGGRG Art. 111 Abs. 1 Nr. 1; FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 95 Abs. 1 Nr. 4; ZPO § 890

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 427 C 7219/09)

 

Tenor

Sachlich und funktionell zuständig ist die Abteilung für allgemeine Zivilsachen des AG Dortmund.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin lebt seit dem 1.1.2008 vom Antragsgegner getrennt. Sie begehrt mit ihrem am 7.10.2009 beim AG in Dortmund eingegangenen Antrag die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Antragsgegner wegen Verstoßes gegen eine am 11.8.2009 von der Zivilabteilung des AG Dortmund unter dem Az. 427 C 7219/09 erlassene einsteilige Verfügung. Danach war es dem Antragsgegner - auf der Grundlage des § 1 GewSchG - unter Androhung von Ordnungsmitteln (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) untersagt, die Antragstellerin zu belästigen oder zu beleidigen oder in irgendeiner Form Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Mit Verfügung vom 12.10.2009 hat die Zivilabteilung des AG Dortmund seine Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren verneint und die Sache formlos an die Familienabteilung des AG Dortmund abgebeben. Die Familienabteilung des AG Dortmund hat die Übernahme des Verfahrens mit von ihm begründeter Verfügung vom 22.10.2009 abgelehnt. Daraufhin hat die Abteilung für Zivilsachen die von den verschiedenen Abteilungen des AG Dortmund erlassenen Verfügungen den Beteiligten am 27.10.2009 bekannt gegeben und die Akten nach Ablauf einer Stellungnahmefrist am 24.11.2009 dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II. Als zuständiges Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 5 I Nr. 4 FamFG die Abteilung für allgemeine Zivilsachen des AG Dortmund zu bestimmen.

1. Die Zuständigkeitsbestimmung richtet sich nach dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen Familienverfahrensgesetz RamFG)

Nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 I 1 FGG-RG findet das Familienverfahrensgesetz auf alle Verfahren Anwendung, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.9.2009 in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung nach diesem Zeitpunkt beantragt wurde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Bei dem Vollstreckungsverfahren handelt es sich um ein Verfahren in Familiensachen i.S.d. § 1 FamFG, weil es die Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen nach dem Gewaltschutzgesetz zum Ziel hat. Seit dem 1.9.2009 sind sämtliche Gewaltschutzsachen Familiensachen (§ 111 Nr. 6 FamFG) und fallen in die Zuständigkeit der Familiengerichte. In diesem Verfahren wird die Vollstreckung von den §§ 86 ff. FamFG bestimmt.

Das Vollstreckungsverfahren ist mit dem Eingang der Antragsschrift vom 5.10.2009 am 7.10.2009 und damit nach Inkrafttreten des Familienverfahrensgesetzes eingeleitet worden. Bei der Vollstreckung aus gerichtlichen Beschlüssen in Familiensachen handelt es sich nicht um die Fortsetzung des Erkenntnisverfahrens, sondern um ein selbständiges Verfahren mit besonderen Regeln über Rechtsmittel, Kosten und Zuständigkeit nach den §§ 86 ff. FamFG (vgl. Keidel, FamFG, Familienverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 16. Aufl., § 86 Rz. 6 m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 5 I Nr. 4 FamFG liegen vor.

Zwar haben sich nicht - wie nach dem Wortlaut des § 5 I Nr. 4 FamFG gefordert - zwei verschiedene Gerichte für unzuständig erklärt, sondern lediglich verschiedene Abteilungen desselben Gerichts. Der Senat hält insoweit jedoch an seiner bisherigen zu § 36 I Nr. 6 ZPO entwickelten Rechtsansicht fest, dass die genannte Bestimmung auf Fälle dieser Art entsprechend anzuwenden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2008, 2040 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 23 m.w.N.). Es ist kein Grund ersichtlich, den Anwendungsbereich des § 5 I Nr. 4 FamFG enger auszulegen als den des § 36 I Nr. 6 ZPO, dem er nach seinem Wortlaut nachgebildet ist, zumal in beiden Fällen ein entsprechendes Regelungsbedürfn...

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