Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 05.02.1999; Aktenzeichen 7 O 196/98)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Gründe

Die Parteien sind Mitarbeiter verschiedener Baufirmen, die im August 1997 auf einer Baustelle in D. Bauleistungen erbrachten. Der Beklagte führte im Auftrag seines Arbeitgebers unter Einsatz eines druckluftbetriebenen Naglers Holzbauarbeiten durch. Als der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber in der Nähe des Arbeitsbereichs des Beklagten auf dem Weg von einer Etage zur anderen eine Leiter besteigen wollte, löste sich aus dem Druckluftgerät ein Schuß, der den Kläger am Kopf verletzte.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Ersatz seiner Personenschäden in Anspruch. Der Beklagte stellt ein Verschulden in Abrede und ist ferner der Auffassung, seine Haftung sei gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen. Die Berufsgenossenschaft des Klägers hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt.

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die Anerkennung als Arbeitsunfall „wirke nicht zugunsten des Beklagten, weil sowohl er als auch sein Arbeitgeber nicht an dem Verfahren beteiligt gewesen seien”. Es hat dem Beklagten gemäß § 108 Abs. 2 S. 2 SGB VII eine Frist gesetzt zur Einleitung eines Verfahrens gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII und den Rechtsstreit ausgesetzt.

Gegen diese Aussetzung richtet sich die Beschwerde des Beklagten. Sie ist gemäß § 252 ZPO zulässig. Denn auch der Beklagte ist diese Entscheidung beschwert. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat die Bedeutung des § 108 SGB VII mißverstanden. Diese für Unfälle ab dem 1.1.1997 geltende Neuregelung soll (wirksamer als zuvor § 638 RVO) sicherstellen, daß im Rahmen eine zivilrechtlichen Haftpflichtprozesses die unfallversicherungsrechtliche Vortrage, ob der Geschädigte den Unfall als Arbeitsunfall erlitten hat und deshalb bei dem Unfall gesetzlich unfallversichert gewesen ist oder nicht, möglichst vorab im UV-Verfahren entschieden wird. Denn an die im UV-Verfahren ergangene bestandskräftige – positive oder negative – Entscheidung sind die Zivilgerichte gebunden (BGH; r+s 94, 60 = VersR 93, 1540). Zwar ist die Erwägung des Landgerichts richtig, daß auch der Schädiger gemäß § 109 SGB VII ein eigenes Antragsrecht hat und evtl. auch fortbestehende Anfechtungsrechte haben kann, wenn er am UV-Verfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist (s. insoweit auch BGH; r+s 95, 220 = VersR 95, 682, und BSG VersR 97, 1347). Der Schädiger kann aber immer allenfalls durch eine den Arbeitsunfall verneinende (und damit seine zivilrechtliche Inanspruchnahme wieder eröffnende) Entscheidung beschwert sein.

Hier ist die unfallversicherungsrechtliche Vortrage, ob ein Versicherungsfall vorliegt (§ 108 Abs. 1 SGB VII), d.h. ob der Kläger den Unfall als Arbeitsunfall erlitten hat, zugunsten des Klägers und damit auch zugunsten des Beklagten und zugleich mit Bindungswirkung für die Zivilgerichte entschieden. Die zivilrechtliche Anschlußfrage, ob hier die zivilrechtliche Haftung des Beklagten, selbst wenn er den Tatbestand des § 823 BGB erfüllt hat, schon deshalb ausgeschlossen ist, weil er als Schädiger gemäß §§ 104 ff SGB VII (zuvor §§ 636 ff RVO) privilegiert ist, ist immer erst im Haftpflichtprozeß von den Zivilgerichten zu entscheiden. Das gilt auch für die sich hier stellende neue und zur Zeit noch höchst umstrittene Rechtsfrage, ob die Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 3 SGB VII eingreift, wenn Angehörige verschiedener Unternehmen bei sog. parallelen Tätigkeiten auf einer Baustelle einander verletzen (s. z.B. LG Saarbrücken, NVersZ 99, 96, zum Meinungsstand auch Lemcke, ZAP, F. 2, S. 199 ff, 209 ff).

Weil somit ein Aussetzungsgrund tatsächlich nicht besteht, mußte der angefochtene Aussetzungsbeschluß aufgehoben werden, u.zw. mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Lemcke, Baur, van Beeck

 

Fundstellen

Haufe-Index 1235794

OLGR Hamm 1999, 309

SGb 2000, 129

VersR 2000, 602

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