Leitsatz (amtlich)

Das Grundbuchamt hat von der Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers auszugehen, wenn zeitlich zurückliegend ein Insolvenzvermerk zunächst eingetragen worden, dann aber auf Ersuchen des Insolvenzgerichts gelöscht worden ist (Abweichung von OLG Brandenburg MittBayNot 2013, 76).

 

Normenkette

InsO § 32; GBO §§ 19, 29

 

Verfahrensgang

AG Kamen (Aktenzeichen BK-5150-35)

 

Tenor

Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.

 

Gründe

I.) Die Beteiligten zu 1) und 2) sind als Miteigentümer zu ½ in dem o.a. Grundbuch eingetragen. Am 12.11.2010 ist auf dem Miteigentumsanteil des Beteiligten zu 1) auf Ersuchen des Insolvenzgerichts ein Insolvenzvermerk eingetragen worden. Im Oktober 2011 hat das Insolvenzgericht um Löschung des Vermerks ersucht. Die Löschung erfolgte am 10.10.2011.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben das Grundstück nunmehr an den Beteiligten zu 3) verkauft und hierbei eine Auflassungsvormerkung bewilligt. Den Antrag auf Eintragung derselben hat das Grundbuchamt mit der angefochtenen Zwischenverfügung beanstandet. Es hält einen gesonderten Nachweis der Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 1) für erforderlich, da sich aus dem Löschungsersuchen des Insolvenzgerichts kein Grund für das Ersuchen ergebe. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten die Kopie eines an den Beteiligten zu 1) gerichteten Schreibens des Insolvenzverwalters vom 22.11.2010 vorgelegt, in welchem dieser die Freigabe des wertausschöpfend belasteten Miteigentumsanteils erklärt.

II.) Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes begegnet schon insoweit Bedenken, als in ihr keine konkreten Möglichkeiten zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 1) aufgezeigt werden. Im Ergebnis entspricht die Beanstandung allerdings der wohl herrschenden Auffassung.

Nach allgemeiner Auffassung hat das Grundbuchamt im Eintragungsverfahren aufgrund eines allgemeinen Erfahrungssatzes davon auszugehen, dass der eingetragene Berech-tigte auch verfügungsbefugt ist (Bauer/v. Oefele/Knothe, GBO, 3. Aufl., § 29 Rz. 165). Anderes gilt erst dann, wenn dem Grundbuchamt Verfügungsbeschränkungen auf- grund konkreter Tatsachen bekannt werden. So liegt der Fall, wenn dem Grundbuchamt -zumeist durch das Eintragungsersuchen nach § 32 Abs. 1 InsO- bekannt wird, dass über das Vermögen des Berechtigten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, da der Gemeinschuldner hierdurch seine Verfügungsbefugnis an den Insolvenzverwalter verliert, § 80 Abs. 1 InsO. Das Eintragungsersuchen bzw. der Insolvenzvermerk sind in diesem Zusammenhang nur von tatsächlicher, nicht von rechtlicher Bedeutung. Ihre rechtliche Bedeutung erschöpft sich in der Verhinderung eines gutgläubigen Erwerbs von dem nicht mehr verfügungsbefugten Berechtigten (§§ 891, 892 BGB). Hinsichtlich des Verlustes der Verfügungsbefugnis sind sie hingegen lediglich deklaratorisch (Harmeyer/Mitter, InsO, 2. Aufl., § 32 Rz. 15). Das heißt, dass das Grundbuchamt auch dann einen Nachweis der (unbeschränkten) Verfügungsbefugnis verlangen muss, wenn ein Insolvenzvermerk nicht eingetragen wurde und auch kein entsprechendes Ersuchen gestellt wurde, es jedoch aus anderer Quelle sichere Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat.

Aus diesem rechtlichen Zusammenhang, der als solcher praktisch unbestritten ist, folgert insbesondere das OLG Brandenburg, dass auch die Löschung des Insolvenzvermerks infolge eines Ersuchens des Insolvenzgerichts oder eines Antrags des Insolvenzverwalters (§ 32 Abs. 3 InsO) als actus contrarius zur Eintragung des Insolvenzvermerks für die grundbuchverfahrensrechtliche Behandlung eines Eintragungsantrages aufgrund einer Verfügung des Berechtigten bedeutungslos sei. Da die Löschung nichts daran ändere, dass dem Grundbuchamt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit der Wegfall der Verfügungsbefugnis bekannt sei, habe der Antragsteller die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis durch den Berechtigten nachzuweisen, und zwar -nach allgemeinen Regeln- in der Form des § 29 GBO (so OLG Brandenburg MittBayNot 2013, 76; ebenso OLG Zweibrücken FGPrax 2013, 206f; BeckOK/GBO/Otto, § 29 Rz. 47 sowie Wilsch, ebendort, Insolvenzrecht Rz. 70). Dem kann sich der Senat nicht anschließen.

Zunächst ist die unbestrittene Feststellung, dass die Löschung des Insolvenzvermerks keine eigenständige rechtliche Bedeutung hat, ungeeignet, ein Argument für die Lösung der vorliegenden Problemstellung zu erbringen. Denn die entscheidende Fragestellung ist tatsächlicher Natur. Fraglich ist allein, ob nach der Löschung des Insolvenzvermerks für das Grundbuchamt in tatsächlicher Hinsicht noch Anlass besteht, an der unbeschränkten Verfügungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers über das eingetragene Recht zu zweifeln. Dies ist zu verneinen.

Mit der Löschung des Insolvenzvermerks fällt dessen Funktion, die Verfügungsbeschränkung publik zu machen und so einen gutgläubigen Erwerb zu ve...

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