Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilrechtskraft. Feststellungen zum Schuldspruch. Berufungsurteil. Strafzumessung. Strafschärfung wegen Fehlens eines triftigen Grundes. Flucht

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldspruch ist im Berufungsurteil eine Wiederholung der den Schuldspruch tragenden Feststellungen oder auch nur eine ausdrückliche, mehr oder weniger konkrete Bezugnahme auf das angefochtene Urteil entbehrlich, da es allein auf die ausreichende Feststellung der den rechtskräftigen Schuldspruch tragenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil ankommt.

Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 21 StVG kann dem Angeklagten nicht strafschärfend angelastet werden, dass er die Fahrt aus Bequemlichkeitsgründen durchgeführt hat.

 

Normenkette

StPO § 267; StGB § 46; StVG § 21

 

Verfahrensgang

AG Rheine (Entscheidung vom 24.06.2019)

LG Münster (Aktenzeichen 05 Ns 204/19)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichterin - Rheine hat den Angeklagten mit Urteil vom 24.06.2019 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die dagegen gerichtete form- und fristgerecht eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Münster mit Urteil vom 02.07.2020 verworfen.

In den schriftlichen Urteilsgründen des angefochtenen Urteils heißt es hinsichtlich der Feststellungen zur Sache:

"Aufgrund der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch hat die Kammer ihrer Entscheidung die vom Amtsgericht zur Sache getroffenen Feststellungen zu Grunde gelegt."

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht folgende Umstände zu Gunsten bzw. zu Lasten des Angeklagten gewertet:

"Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bereits im Termin vor dem Amtsgericht die Tat voll gestanden hat. Negativ hat sich hingegen ausgewirkt, dass der Angeklagte mehrfach und zwar teilweise einschlägig vorbestraft ist. Außerdem stand er bei der Begehung der Tat unter zwei laufenden Bewährungen und einer offenen Reststrafenbewährung. Weiter hat sich negativ ausgewirkt, dass der Angeklagte, um einer Strafverfolgung zu entgehen, vor der Polizei geflohen ist und dabei eine erhöhte Gefährdung für sich, die ihn verfolgenden Polizisten und andere Verkehrsteilnehmer zumindest billigend in Kauf genommen hat. Schließlich hat sich strafschärfend ausgewirkt, dass der Angeklagte lediglich aus Bequemlichkeitsgründen mit dem Kraftfahrzeug gefahren ist. Er hat insofern, wie auch schon beim Amtsgericht, angegeben, er sei zu seinem ehemaligen Arbeitgeber nach Coesfeld gefahren, um dort eine offene Lohnforderung einzutreiben.

Die Kammer hat nach alledem eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet."

Zur Anordnung der Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis hat das Landgericht folgendes ausgeführt:

"Außerdem war wegen der aus der Tat sich ergebenen charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten eine Fahrerlaubnissperre zu verhängen. Mit Blick auf die durch das Amtsgericht Rheine am 02.12.2016 verhängte Fahrerlaubnissperre betrug die Mindestfrist nach § 69a Abs. 2 StGB hier ein Jahr. Da der Angeklagte - trotz der offenen Bewährungen - allein aus Bequemlichkeitsgründen ungefähr 18 Monate nach der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Rheine vom 02.12.2016 erneut gegen das Verbot, ohne Fahrerlaubnis zu fahren, verstoßen hat und dabei mit seiner Polizeiflucht auch die Gefährdung Dritter Personen in Kauf genommen hat, geht die Kammer von einer fortdauernden Ungeeignetheit von mindestens zwei Jahren aus."

Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündete und dem Verteidiger am 10.08.2020 zugestellte Urteil wendet sich der Angeklagte mit der durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 02.07.2020 - am gleichen Tag bei Landgericht Münster eingegangen - eingelegten Revision, welche er mit weiterem am 10.09.2020 beim Landgericht Münster eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 333 StPO statthafte auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster.

Die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Rechtsfolgenentscheidung, welche infolge de...

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