Verfahrensgang

AG Bielefeld (Aktenzeichen 39 Ds 32 Js 288/06 - 309/06)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bielefeld ist der Angeklagte wegen Diebstahls oder Hehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte zwei Leuchten im Wert von 2.950,00 EUR bzw. 445,00 EUR entweder an verschiedenen Tagen im .... und ........ aus den Geschäftsräumen der Firma J in C2, wo er zu dieser Zeit als Praktikant beschäftigt war, entwendet oder er hat sich diese in dem Wissen, dass die Leuchten bei der Firma J entwendet worden waren, in Bereicherungsabsicht verschafft.

Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf ausweislich des angefochtenen Urteils nicht eingelassen. Grundlage des Schuldspruchs durch das Amtsgericht waren ganz maßgeblich die Erkenntnisse aus einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am ........, deren Verwertung der Angeklagte in der Hauptverhandlung widersprochen hat. Bei dieser an einem Mittwoch in der Zeit von 11.25 bis 11.45 Uhr von den Zeugen T und ..... C in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführten Durchsuchung waren die entwendeten Leuchten in der Wohnung des Angeklagten versteckt aufgefunden worden. Die Beamten hatten sich am ......... gegen 9.20 Uhr wegen eines "Ladendiebstahls" zu der Firma J begeben, wo der Angeklagte von dem Geschäftsführer der Firma, dem Zeugen M, des Diebstahls von insgesamt drei hochwertigen Leuchten verdächtigt wurde, während der Angeklagte den Vorwurf zurückwies. Gegen 10.45 Uhr nahmen die Beamten von der Polizeiwache, zu welcher sie sich zwischenzeitlich mit dem Angeklagten begeben hatten, telefonisch Kontakt mit der Staatsanwaltschaft C2 auf. Hierzu ist im Ermittlungsbericht vom ........ vermerkt, dass die Staatsanwältin "Antrag auf Wohnungsdurchsuchung stellte". Ohne indes den Erlass eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses abzuwarten, begaben sich die Beamten sodann mit dem Angeklagten zum Zwecke der Durchsuchung zu dessen Wohnung. Dass der Angeklagte mit dieser Vorgehensweise einverstanden war, ergibt sich weder aus dem Ermittlungsvermerk vom ....... noch aus dem Durchsuchungsprotokoll vom selben Tage. Ebensowenig ist die Annahme von Gefahr im Verzug durch die Beamten dokumentiert worden.

II.

Die Revision hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge der Verwertung fehlerhaft erlangter Beweismittel unter Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten. Die aus der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten vom 10.08.2005 gewonnenen Erkenntnisse unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. Sonstige den Schuldspruch tragende Beweismittel stehen nicht zur Verfügung.

Die Durchsuchung einer Wohnung ist ein schwerwiegender Eingriff in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre. Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 S. 1 StPO die Anordnung einer Durchsuchung im Regelfall dem Richter vorbehält, der gemäß § 162 Abs. 3 StPO zu prüfen hat, ob die von der Staatsanwaltschaft beantragte (§ 162 Abs. 1 StPO) oder von der Polizei angeregte (§§ 163 Abs. 2 S. 2, 165 StPO) Untersuchungshandlung nach den Umständen des Falles gesetzlich zulässig ist.

Die Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamten wegen Gefahr im Verzug setzt voraus, dass konkrete, einzelfallbezogene Tatsachen ein sofortiges Tätigwerden zur Verhinderung eines Beweismittelverlustes erfordern. Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Die Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen, bevor sie eine Durchsuchung beginnen. Nur dann, wenn ausnahmsweise schon die mit einem solchen Versuch verbundene zeitliche Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen sie selbst die Anordnung - wegen Gefahr im Verzug - treffen, ohne sich vorher um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben.

Der anordnende Beamte muss vor oder unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentieren und dabei insbesondere die Umstände darlegen, auf die er die Gefahr eines Beweismittelverlustes stützt. Auch muss erkennbar sein, ob er den Versuch unternommen hat, eine richterliche Entscheidung zu erlangen oder was dem in konkreten Einzelfall entgegenstand.

Gemessen an diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen (vgl. BVerfG StV 2001, 207 ff. m. w. N.) erweist sich die Durchsuchung vom ....... nicht nur als fehlerhaft, sondern zudem als z...

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