Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 12 O 71/16)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Nebenintervenientinnen wird das Zwischenurteil des Landgerichts Bielefeld vom 08.01.2019 abgeändert. Die Nebeninterventionen der Nebenintervenientinnen zu 1) und zu 2) werden zugelassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Der Beschwerdewert wird auf 11.359.701,16 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten als ihre ehemaligen Aufsichtsratsmitglieder aus §§ 93 Abs. 2, 116 S. 1 AktG Schadensersatzansprüche in Höhe von 56.798.508 EUR geltend. Sie wirft ihnen vor, dem vom Vorstand beabsichtigten Verkauf von Aktien an einer X Holding Co. Ltd. nicht zugestimmt, die Veräußerung so zunächst verhindert und dadurch einen Schaden der Klägerin verursacht zu haben. Später hätten die Aktien nur noch zu einem geringeren Kurs veräußert werden können.

Die Klägerin hatte mit den Nebenintervenientinnen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen von Unternehmensleitern abgeschlossen (sog. D&O-Versicherung). Zu den versicherten Personen gehören die Beklagten.

Die Nebenintervenientinnen sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten durch Erklärungen vom 28.12.2017 und 29.12.2017 beigetreten und haben gleichzeitig Herrn D den Streit verkündet.

Die Klägerin hat die Beitritte als unzulässig beanstandet.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Zwischenurteil die beiden Nebeninterventionen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass den Nebenintervenientinnen das nach § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse daran fehle, dass die drei beklagten Aufsichtsratsmitglieder im Rechtsstreit mit der Klägerin obsiegen. Die Nebenintervenientinnen verfügten bereits kraft Versicherungsvertrages über eine Rechtsstellung, die derjenigen eines Nebenintervenienten entspreche. Das nötige rechtliche Interesse ergebe sich auch nicht aus der Bindungswirkung eines in einem Haftpflichtprozess ergangenen rechtskräftigen Urteils für einen anschließend in Betracht kommenden Deckungsprozess.

Die Nebenintervenientinnen haben hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie abändernd die Zulassung der Nebeninterventionen begehren. Sie machen geltend, ein rechtliches Interesse i.S.d. § 66 Abs. 1 ZPO liege vor, weil sich das Urteil des Hauptverfahrens unmittelbar auf den Beitretenden auswirke. Die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses führe dazu, dass der Haftpflichtversicherer im Deckungsprozess grundsätzlich nicht mehr einwenden könne, der im Haftpflichtprozess rechtskräftig festgestellte Anspruch gegen den Versicherten sei unbegründet. Aufgrund der Versicherungsverträge bestehe auch nicht die Möglichkeit, die Rechte eines Nebenintervenienten auszuüben.

Die Klägerin verteidigt die Zurückweisung der Nebeninterventionen als zutreffend.

B. Die gemäß §§ 71 Abs. 2; 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Nebenintervenientinnen ist begründet und führt abändernd zur Zulassung der beiden Nebeninterventionen. Die Nebenintervenientinnen haben ein rechtliches Interesse an einem Obsiegen der Beklagten in dem hier anhängigen Haftungsprozess.

I. Gemäß § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Dabei ist der Begriff des rechtlichen Interesses weit auszulegen (BGHZ 166, 18 Rn. 7; BGH WM 2016, 532 Rn. 11). Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH WM 2018, 1798 Rn. 10). Nicht genügend ist demgegenüber ein ideelles oder rein wirtschaftliches Interesse (BGHZ 166, 18, 20).

II. Gemessen hieran folgt der Senat, wie u.a. auch bereits durch Beschluss vom 12.12.2018, I-8 W 30/18 entschieden, der herrschenden Rechtsprechung und Literatur, dass aufgrund der Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im Haftpflichtprozess für den etwaigen späteren Deckungsprozess gegen die Haftpflichtversicherung - hier die Nebenintervenientinnen als D&O-Versicherungen zugunsten der Beklagten - für letztere ein rechtliches Interesse an dem Ausgang des Haftpflichtprozesses i. S. d. § 66 Abs. 1 ZPO besteht, das zum Beitritt als Streithelfer berechtigt.

1. Dass der Nebenintervenient auch eine vertragliche Prozessführungsbefugnis für den unterstützten Beklagten besitzt, steht dem grundsätzlich nicht entgegen (OLG Hamm, Urt. v. 29.04.1996, 6 U 187/95, NJW-RR 1997, S. 156 ff., OLG Frankfurt VersR 2016, 1010 Rn. 16; Zöller-Althammer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 66 Rn. 8). Je nach den Einzelheiten des jeweiligen Falles ist es dem D&O-Versicherer nämlich möglich, als Streithelfer trotz der Regelung des § 67 ZPO mit anderem, ergänzenden Vortrag zur Verteidigung des beklagten Versicherten gegen einen Anspruch vorzugehen als aufgrund der reinen Pro...

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