Leitsatz (amtlich)

1. Ein (Mit-)Eigentumsanteil an einem Hausgrundstück - hier: Alleineigentum an einem Dreifamilienhaus - zählt grundsätzlich zum Vermögen des Beteiligten, soweit es sich nicht um ein angemessenes, von dem Beteiligten selbst bewohntes Hausgrundstück i.S.d. §§ 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII handelt. Voraussetzung für den Vermögenseinsatz ist jedoch stets, dass die Verwertung des Vermögens zeitnah überhaupt möglich und zumutbar ist.

2. Die Veräußerung eines Hausgrundstücks nimmt erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch und kann daher regelmäßig nicht zeitnah genug erfolgen, um noch mit dem Ziel der Verfahrenskostenhilfe vereinbar zu sein, dem bedürftigen Beteiligten im Wesentlichen denselben Rechtsschutz zu gewährleisten wie dem bemittelten Beteiligten.

3. Eine Beleihung des Objekts zum Zwecke einer Darlehensaufnahme scheidet aus, sofern der Antragsteller ausweislich seiner aktuellen Einkommensverhältnisse offensichtlich nicht in der Lage, ein (weiteres) Darlehen aufzunehmen und die Darlehensraten zu zahlen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 2; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Marl (Beschluss vom 30.07.2015; Aktenzeichen 20 F 74/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 10.08.2015 wird der am 30.07.2015 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Marl abgeändert:

Dem Antragsgegner wird ab Antragstellung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte in erster Instanz Rechtsanwältin T aus I am See beigeordnet.

Sollten sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners ändern, kann dieser Beschluss gemäß § 120a ZPO abgeändert werden. Insbesondere bleibt eine Zahlung seitens des Antragsgegners auf die bewilligte Verfahrenskostenhilfe aus dem Vermögen des Antragsgegners bei einer wesentlichen Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a Abs. 1 ZPO ausdrücklich vorbehalten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind seit dem ... 2013 voneinander getrennt lebende Ehegatten.

Der Antragsgegner war bei der Eheschließung am ... 2010 Alleineigentümer des Dreifamilienhauses in der K-Straße in I am See. Mit notariellem Vertrag vom ... 2011 vereinbarten die Beteiligten u.a. die Gütertrennung. Zur Regelung des Zugewinnausgleichs übertrug der Antragsgegner der Antragstellerin seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der genannten Immobilie. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom ... 2011 Bezug genommen (Urkundenrollen-Nr. 467/2011 des Notars I1 in E). Die Eintragung der Antragstellerin als Miteigentümerin der Immobilie erfolgte am ... 2011.

Der Antragsgegner erzielt unregelmäßige Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als freier Fernsehredakteur. Ausweislich der Steuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 lag sein positives Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zwischen 2.340 EUR brutto und 5.441 EUR brutto pro Jahr. Seine monatlichen Aufwendungen in der Künstlersozialversicherung belaufen sich auf 234,07 EUR. Der Antragsgegner bewohnt die Erdgeschosswohnung in dem genannten Haus in I am See. Darüber hinaus bezieht er die Mieten in Höhe von zuletzt 1.033 EUR pro Monat für die zwei weiteren in dem Haus befindlichen Wohnungen. Der Antragsgegner zahlt ausweislich seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom ... 2015 Kindesunterhalt für ein Kind i.H.v. 356 EUR pro Monat. Er trägt die Darlehensraten für das Haus in Höhe von 401 EUR monatlich sowie eine weitere Darlehensrate für einen Konsumentenkredit in Höhe von 100 EUR monatlich.

Mit Antragschrift vom 02.03.2015 hat die Antragstellerin von dem Antragsgegner die Zahlung von 20.709 EUR begehrt. Dabei handelt es sich unter Berücksichtigung der im Jahr 2013 aufgewendeten Kosten für die Sanierung der Fensterbänke um die Hälfte der von dem Antragsgegner vereinnahmten Mieten in den Jahren 2013 (11.889 EUR) und 2014 [8.820 EUR (12 Mo*1.470 EUR/2)]. Der Antragsgegner hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung begehrt.

Mit Vergleich vom 23.06.2015 verpflichtete sich die Antragstellerin in dem Parallelverfahren der Beteiligten vor dem Senat, ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Dreifamilienhaus an den Antragsgegner aufzulassen und die Eintragung dieser Änderung im Grundbuch zu bewilligen, Zug-um-Zug gegen Zahlung von 35.000 EUR seitens des Antragsgegners an sie bis zum 01.08.2015. Mit dem genannten Vergleich sollten zudem die Ausgleichsansprüche der Antragstellerin gegen den Antragsgegner wegen der von ihm bezogenen Mietzahlungen erledigt sein; die Beteiligten verpflichteten sich, das vorliegende Verfahren vor dem Familiengericht für erledigt zu erklären. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Vergleich und das diesem zugrunde liegende Verfahren vor dem Senat Bezug genommen (Aktenzeichen: OLG Hamm, 2 UF 235/14).

Mit am 30.07.2015 erlassenen Beschluss hat das AG - Familiengericht - Marl den Antrag des...

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