Leitsatz (amtlich)

Sofern ein hochbegabtes Kind aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten "unbeschulbar" ist, die allein sorgeberechtigte Kindesmutter eine erforderliche Begutachtung aber verhindert, kann ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Bereich der Gutachtenerstattung entzogen werden.

 

Tenor

Der Kindesmutter wird im Wege der einstweiligen Anordnung das Sorgerecht für den am 17.10.2002 geborenen M in den Bereichen Schulangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht, letzteres soweit es die Begutachtung von M im Hauptsacheverfahren 4 UF 210/13 OLG Hamm betrifft, entzogen. Das Jugendamt der Stadt U wird zum Ergänzungspfleger bestellt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Kosten des Verfahrens im Übrigen werden gegeneinander aufgehoben.

Der Verfahrenswert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Sorgerecht für den am 17.10.2002 geborene M steht nach der Scheidung der Eltern der Kindesmutter allein zu. Der Aufenthalt des Kindesvaters ist unbekannt.

Am 10.2.2009 wurde bei M von dem Institut zur Fo(e)rderung besonderer Begabungen ein Intelligenztest durchgeführt. Im Subtest "Funktionen Abstrahieren" liegt hiernach eine Hochbegabung vor. Aufgrund der Verhaltensbeobachtungen während der Testung ist anzunehmen, dass M sein volles Potential nicht ausgeschöpft hat.

Aufgrund dieser Hochbegabung wurde M zunächst in der X-Grundschule in E beschult und nicht an der wohnortnahen Grundschule "B" in E. Ihm wurde eine Integrationskraft zur Seite gestellt und er wurde sonderpädagogisch im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung gefördert. Nach dem ersten Schuljahr verblieb er in der zweijährigen sog. Schuleingangsphase.

Die Unterstützung durch einen Integrationshelfer wurde im zweiten Schuljahr aufgrund von Differenzen zwischen der Kindesmutter und dem Institut zur Fo(e)rderung besonderer Begabungen, das den Integrationshelfer gestellt hatte, beendet.

Am 21.9.2011 meldete die X-Grundschule dem zuständigen Jugendamt eine mögliche Kindeswohlgefährdung. Von Seiten der Schule wurden massive Auffälligkeiten im Sozialverhalten bis hin zu fremdgefährdenden Verhalten gegenüber Mitschülern beschrieben. Ca. 30 Gespräche mit der Kindesmutter blieben erfolglos. Ferner berichtete die Schule von einer Isolation von M aufgrund einer mangelnden Förderung sozialer Kontakte zu Gleichaltrigen. M wurde ca. 2 ½ Monate nicht beschult.

Nach mehreren Gesprächen der Kindesmutter mit dem Jugendamt, wechselte M Ende November 2011 auf die L Grundschule in E. Dort wurde er in der vierten Klasse beschult. Anfang 2012 wurde M aufgrund Eigen- und Fremdgefährdung für 14 Tage vom Unterricht ausgeschlossen.

Es folgte eine weitere Testung von M. Mit Ausnahme des Bereichs "sprachliche Abstraktionsfähigkeit" lag kein Wert im Hochbegabtenbereich. Das Arbeitsverhalten von M war von Unkonzentriertheit, Unruhe und Vergesslichkeit gekennzeichnet. Der testende Dipl.-Psych. Y schlug vor, M stationär vorzustellen, zum einen wegen der starken psychischen und sozialen Gefährdetheit des Jungen und zum anderen wegen der Verdachtsdiagnose "ADHS". Sollte die Kindesmutter den Vorschlag nicht aufgreifen, nahm der Dipl.-Psych. Y eine Kindeswohlgefährdung an. In einem Gespräch vom 16.3.2012 wurde eine stationäre Unterbringung von M seitens der Kindesmutter ausgeschlossen.

Daraufhin regte das Jugendamt E beim AG Dortmund (101 F 2326/12) Maßnahmen gem. § 1666 BGB an.

Eine durchgängige Beschulung von M fand ab diesem Zeitpunkt nicht mehr statt. Die Kindesmutter behauptet, M sei in der L Grundschule gemobbt worden. Deswegen sei M von einer Kinderärztin krankgeschrieben worden.

Am 16.5.2012 wurde M bei der Praxis T vorgestellt. Eine Diagnose wurde dort nicht gestellt.

Am 1.8.2012 zog M mit seiner Mutter von E nach U um.

Am 16.8.2012 fand der Termin im Verfahren AG Dortmund (101 F 2326/12) statt. Nach Auffassung des Familiengerichts und des Jugendamts bestand kein Anlass für Maßnahmen gem. § 1666 BGB.

Nach dem Umzug nach U wurde M in der Grundschule W angemeldet. Dort wurde er aber seit September 2012 nicht mehr beschult. Von Seiten der Schule wurde der Kindesmutter die Empfehlung gegeben, sich zwecks diagnostischer Abklärung an die LWL-Klink in I zu wenden.

Insgesamt acht Termine in der LWL-Klinik in I führten nicht zu einer Diagnose. Nach Auffassung der Klinik musste auch die Mutter-Kind-Interaktion überprüft werden. Die zum 18.3.2013 geplante Aufnahme von M in der Tagesklinik der LWL-Klinik lehnte die Kindesmutter ab. Auch die zum 18.4.2013 geplante Aufnahme sagte die Kindesmutter kurzfristig am 17.4.2013 ab.

Am 25.4.2013 wurde im Schulamt u.a. mit der Kindesmutter die fehlende Beschulungsmöglichkeit von M erörtert. M habe große Probleme im sozial-emotionalen Bereich. Ferner würden gravierende Erziehungsschwierigkeiten vorliegen. Es wurde gemeinsam mit der Kindesmutter vereinbart, zur Aufarbeitung der Probleme im sozial-emotionalen Bereich einen Aufenthalt in der Tagesklinik in I anzustreben. Nach dem Aufentha...

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