Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschwindigkeitsmessung, Eichung. Wirksamkeit. Toleranzabzug. CAN-Bus

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Ermittlung des Sicherheitsabschlages bei einem nicht geeichten Messgerät.

 

Normenkette

StPO §§ 261, 267

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 14.08.2007)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen wurde durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 100,-- Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene befuhr am 02.11.2006 gegen 8:34 Uhr mit dem Pkw Daimler Chrysler xxx die Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung Hannover bei Kilometer 330,0 in Bielefeld. Aufgrund der vorhandenen Beschilderung hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass für den oben genannten Straßenabschnitt ein Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gilt. In Höhe Kilometer 330,82 und 330,5 sind beiderseits der Fahrbahn gut sichtbar Verkehrszeichen 274 (100 km/h) aufgestellt. Dennoch überschritt der Betroffene die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h. Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er erkennen können und müssen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt und hätte sein Fahrverhalten insoweit darauf einstellen können."

In den Urteilsgründen wird außerdem ausgeführt, dass die Messung mittels des Police-Pilot-Systems mit einem Messgerät des Typs ProVida 2000 durchgeführt worden ist. Bei dem Messfahrzeug handelte es sich um den Pkw BMW, Typ 530 D, mit dem amtlichen Kennzeichen LIP 3057, bei dem die Übertragung der Wegstreckeninformation unter Verwendung zusätzlicher technischer Baugruppen erfolgt. Die Wegimpulse werden dabei nicht unmittelbar zur Verfügung gestellt, sondern in Form von Wegstreckentelegrammen über einen CAN-Bus. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) fordert für die Verwendung eines CAN-Busses zur Weiterleitung an das Videonachfahrsystem eine gesonderte Genehmigung ihrerseits, die zur Tatzeit nicht vorlag. Die von den Polizeibeamten gemessene Geschwindigkeit betrug 157,29 km/h. Hiervon hat das Amtsgericht, um eventuell auftretende größere Messungenauigkeiten bei Verwendung eines ProVida-Geräts mit CAN-Bus auszugleichen, einen Sicherheitsabschlag von 10 % in Abzug gebracht und auf diese Weise eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h errechnet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird,

II.

Die Rechtsbeschwerde erweist sich in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang als begründet. Die Höhe der dem Betroffenen vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung ist nicht fehlerfrei ermittelt worden.

Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines Messgeräts des Typs Provida 2000 (Modular), das nach den Urteilsfeststellungen am 28.10.2005 geeicht worden war. Diese Eichung ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nachträglich gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 Eichordnung erloschen. Den aus den Urteilsfeststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass in das Messfahrzeug nachträglich; d. h. nach der erfolgten Eichung des Messgeräts zusätzliche technische Baugruppen (CAN-Bus) eingebaut worden sind. Vielmehr sind die Feststellungen so zu verstehen, dass neuere Fahrzeuge - wie der hier verwendete PKW BMW Typ 530 D - von vornherein technisch, so ausgerüstet waren, dass die Wegstreckeninformation an das Videonachfahrsystem nicht direkt, sondern über einen CAN-Bus erfolgt. Die damals erfolgte Eichung war aber nur formell korrekt, materiell war sie wegen der zur Tatzeit nicht vorhandenen, von der PTB aber geforderten, gesonderten Genehmigung einer Bauartzulassung in Bezug auf das CAN-Bus-System als .fehlerhaft anzusehen, da das Messgerät nicht eichfähig war. Ein Messgerät ist nur dann, gemäß § 14 a Abs. 1 Eichordnung eichfähig, wenn seine Bauart durch die PTB zur Eichung zugelassen ist. Bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden ist das (materiell) fehlerhaft geeichte Gerät einem ungeeichten oder nicht ausreichend geeichten Gerät gleichzusetzen, so dass die Grundsätze, die bei Messungen mit ungeeichten Geräten gelten, entsprechend anzuwenden sind. Auch das Amtsgericht hat im Ergebnis bei der Beurteilung der Messung die Grundsätze, die bei Messungen mit ungeeichten Geräten gelten, unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 24.01.2006 - 3 Ss Oft 582/05 - herangezogen. Danach ist es Sinn und Zweck des Eichgesetzes in Bezug auf Geschwindigkeitsmessungen, deren Sicherheit zu gewährleisten, die durch die Eichpflicht nach § 2 Abs, 1 EichG garantiert wird. Diesem Zweck kann auch dadurch entsprochen werden, dass qualitätsmäßige Bedenken gegen eine Geschwindigkeitsmessung durch einen entsprechen...

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