Leitsatz (amtlich)

1. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierunfähigkeit des Erblassers besteht kein Anlass, wenn die erforderlichen Anknüpfungstatsachen, die ein Sachverständiger auswerten könnte, nicht vorliegen und vom Beschwerdeführer auch nicht vorgetragen sind. Es darf zwar nur ausnahmsweise von der Einholung eines Gutachtens abgesehen werden. Das ist jedenfalls aber dann der Fall, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, die von ihm festgestellten Tatsachen reichen auch bei Beauftragung eines Sachverständigen nicht aus, um sichere Rückschlüsse auf die Testierunfähigkeit des Erblassers zuzulassen. 2. Der Wirksamkeit eines Testaments steht nicht entgegen, dass der vorgesehene Erbe die Errichtung des Testaments maßgeblich veranlasst hat. Ein Notar hat gemäß § 17 BeurkG den Willen des Erblassers zu erforschen und muss sich bei der Beurkundung davon überzeugen, dass der von dem Dritten vorgetragene Wille mit den eigenen Vorstellungen des Erblassers übereinstimmt und sich dies von dem Erblasser persönlich bestätigen lassen. 3. Stellt sich nachträglich bei der Beurkundung heraus, dass der Erblassers seinen Namen nicht schreiben kann, dann muss ein zweiter Notar hinzugezogen und in dessen Gegenwart dem schreibunfähigen Erblasser die Niederschrift erneut vorgelesen werden.

 

Normenkette

BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1, §§ 17, 25; BGB § 2229 Abs. 4, § 2232 S. 1 1. Alt.

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Aktenzeichen 17 VI 615/15)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 600.000 EUR festgesetzt, § 40 Abs. 1 GNotKG

 

Gründe

I. Die Erblasserin war die Mutter der Beteiligten. Sie befand sich seit Anfang Dezember 2014 in einer Pflegeeinrichtung. Nachdem die Erblasserin sich seit Ende des Jahres 2014 in stationärer Behandlung im B-Hospital in L befunden hatte, kehrte sie im Januar 2015 in die Pflegeeinrichtung zurück, wo sich ihr körperlicher und geistiger Zustand jedoch zunehmend verschlechterte.

Da die Erblasserin den Wunsch zu sterben artikuliert hatte und nicht mehr essen wollte, veranlasste der Beschwerdegegner den Besuch eines Seelsorgers, des Hausarztes sowie des Notars N bei der Erblasserin. Am 02.02.2015, dem Todestag der Erblasserin, machte zunächst der Hausarzt einen Krankenbesuch bei der Erblasserin und verschrieb ihr ein morphiumhaltiges Medikament. Danach erhielt die Erblasserin von 16.00 Uhr bis 16.40 Uhr Besuch des Pastors. Während dieser Zeit und noch bis kurz vor 17.00 Uhr war der Antragsteller bei der Erblasserin anwesend. Nachdem dieser gegen 17.00 Uhr das Sterbezimmer verlassen hatte und der Beschwerdegegner zurückgekehrt war, erschien der Notar zur Beurkundung eines Testaments mit folgendem Wortlaut: "Zu meinem alleinigen Erben setze ich meinen Sohn, S, geb. am 00.00.1964, ein. Weitere Verfügungen von Todes wegen will ich nicht treffen." Nachdem der Notar das Testament vorgelesen hatte, stellte sich heraus, dass die Erblasserin nicht mehr in der Lage war, ihre Unterschrift zu leisten. Daraufhin verständigte der Notar N den Notar H, um diesen bei der Beurkundung als Zeugen hinzuzuziehen. Der Notar H erschien gegen 18.00 Uhr im Sterbezimmer. Auf die Frage des Notars, ob das Testament ihrem Willen entspreche, gab die Erblasserin ihre Zustimmung mit einem gehauchten "Ja" zum Ausdruck. Ob zuvor das Testament im Beisein des Notars H erneut verlesen worden war, ist zwischen den Beteiligten streitig. Kurz nach der Beurkundung verstarb die Erblasserin um 18.30 Uhr. Nach dem Tod der Erblasserin veranlasste der Beschwerdeführer die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdegegner wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung durch Verabreichung des Medikaments Atosil. Das Ermittlungsverfahren wurde nach Vernehmung des Beschwerdeführers eingestellt.

Der Beschwerdeführer hat einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der ihn und den Beschwerdegegner als Miterben zu je 1/2 ausweist. Dazu hat er vorgetragen, zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments sei die Erblasserin nicht mehr testierfähig gewesen. Ein gehauchtes "Ja" reiche für die Wirksamkeit der Beurkundung nicht aus. Der Inhalt des Testaments sei mit der Erblasserin vor der Beurkundung nicht erörtert worden. Die Erblasserin sei nicht mehr in der Lage gewesen, die juristischen Zusammenhänge des Testaments, insbesondere die Einsetzung des Beschwerdegegners als Alleinerben nachzuvollziehen. Dass der Beschwerdegegner Alleinerbe werde, sei nicht der Wunsch der Erblasserin gewesen. Es sei die Vorstellung der Erblasserin gewesen, dass ihr Vermögen unter den Söhnen aufgeteilt werde. Er habe sich in den letzten Jahren vor dem Tod der Erblasserin allein um diese gekümmert. Er sei vom Beschwerdegegner über das Testament erst im Nachhinein in Kenntnis gesetzt worden.

Der Beschwerdegegner hat vorgetragen, der Besch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge