Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Beteiligten gegen einen Beschluss, durch welchen sich das Gericht gem. § 17 II 1 GVG für funktionell unzuständig erklärt und das Verfahren an ein anderes Gericht verwiesen hat, keine sofortige Beschwerde (§ 17a IV 3 GVG) eingelegt, besteht kein weitergehendes Bedürfnis dafür, die Frage der funktionellen Zuständigkeit auf Veranlassung desjenigen Spruchkörpers überprüfen zu lassen, an den der Rechtsstreit verwiesen worden ist.

2. Da sich die Verweisungsvorschrift des § 281 ZPO nur auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit bezieht und keine Entscheidung über die funktionelle Zuständigkeit beinhaltet, ist das Zivilgericht, an welches das Verfahren nach § 281 I 1 ZPO durch ein anderes Zivilgericht verwiesen worden ist, nicht daran gehindert, das Verfahren gem. § 17a II 1 GVG wegen angenommener funktioneller Unzuständigkeit an das von ihm für zuständig gehaltene Familiengericht zu verweisen. Umgekehrt hindert die Rechtswegverweisung das Familiengericht nicht daran, die Sache wegen von ihm angenommener örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit gem. § 3 I 1 FamFG an ein anderes Familiengericht zu verweisen.

 

Normenkette

ZPO § 281; GVG § 17a; FamFG § 3

 

Verfahrensgang

AG Essen-Borbeck (Aktenzeichen 10 F 295/10)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das AG - Familiengericht - Essen-Borbeck.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozess-, bzw. Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag, in der Hauptsache von der Antragsgegnerin Unterlassung von konkret bezeichneten Handlungen zu verlangen, die diese im Rahmen von Jugendhilfemaßnahmen für das gemeinsame minderjährige Kind des Antragstellers und der von ihm getrennt lebenden Ehefrau vorgenommen haben soll.

Das zuerst mit der Sache befasste AG Essen-Borbeck (allgemeine Zivilabteilung) hat sich, nach Anhörung der Beteiligten auf Antrag des Antragstellers, mit Beschluss vom 11.2.2010 gem. § 281 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an die allgemeine Zivilabteilung des AG Essen verwiesen. Die allgemeine Zivilabteilung AG Essen hat sich, nach Anhörung der Beteiligten, gem. § 17a II GVG für funktional unzuständig erklärt und das Verfahren mit Beschluss vom 21.4.2010 an das AG - Familiengericht - Essen verwiesen. Sodann hat sich das AG - Familiengericht - Essen, nach Anhörung der Beteiligten, unter Berufung auf die Zuständigkeitsvorschrift des § 152 II FamFG für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren mit dem - den Beteiligten zugestelltem - Beschluss vom 1.7.2010 an das AG - Familiengericht - Essen-Borbeck verwiesen.

Mit Beschluss vom 22.7.2010 hat das AG - Familiengericht - Essen-Borbeck die Sache dem Senat zur Entscheidung über die funktionelle und örtliche Zuständigkeit vorgelegt. Es vertritt die Ansicht, es läge keine Familiensache, sondern eine Zivilsache vor. Im Übrigen sei der Beschluss vom 11.2.2010 für die allgemeine Zivilabteilung des AG Essen bindend; eine bindende Rechtswegverweisung an das Familiengericht sei dagegen nicht erfolgt.

II. Da das zuletzt als familienrechtliche Streitigkeit geführte Verfahren durch Antrag vom 1.2.2010 zeitlich nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, beurteilt sich die Frage der örtlichen und funktionellen Zuständigkeit gem. Art. 111 I FGGRG nach neuem Recht.

1. Der Senat ist nach § 5 I Ziff. 4, II FamFG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes berufen, da sich sowohl das AG - Familiengericht - Essen als auch das AG - Familiengericht - Essen-Borbeck jeweils durch den Beteiligten zugestellten Beschluss für örtlich unzuständig erklärt haben.

2. Zur Entscheidung über die funktionale Zuständigkeit ist der Senat dagegen nicht berufen.

a) Für eine Entscheidung des Senats über die funktionale Zuständigkeit der Familiengerichte fehlt es an einer Regelungsgrundlage im Gesetz.

Nach dem neu eingefügten § 17a I GVG ist die Entscheidung eines mit der Sache befassten Gerichts über die Zulässigkeit des Rechtswegs bindend. Hat ein Gericht über die Zulässigkeit des Rechtswegs entschieden, darf sich ein anderes Gericht mit der Rechtswegzuständigkeit nicht weiter befassen. Das gilt gem. § 17a VI GVG auch für die Bereiche der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten über die interne (funktionelle) Zuständigkeit zwischen verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts in ihrem Verhältnis zueinander (vgl. BT-Drucks. 16/6308, 318; BR-Drucks. 309/07, 724; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 17a GVG, Rz. 21; Musielak-Wittschier, ZPO, 7. Aufl., § 17a GVG, Rz. 23; Prütting/Gehrlein-Bitz, ZPO, 1. Aufl., § 17a GVG, Rz. 1).

Vorliegend hat sich das AG - allgemeine Zivilabteilung - Essen mit Beschluss vom 21.4.2010 für funktionell unzuständig erklärt und die Rechtswegzuständigkeit der Familiengerichte bejaht. Hiergegen war für die Beteiligten gem. § 17a IV 3, VI GVG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet. Da ein solches Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist, besteht aus der maßgeblichen Perspektive der Beteiligten ke...

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