Leitsatz (amtlich)

Für den Übertraggeber eines Grundstücks kann neben einem Nießbrauch ein Wohnungsrecht begründet werden, wenn es mit Rang vor dem Nießbrauch im Grundbuch eingetragen wird.

 

Normenkette

BGB §§ 1030, 1093

 

Verfahrensgang

AG Recklinghausen (Aktenzeichen HE-8890-5)

 

Tenor

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 18.3.2013 (UR-Nr. 39/2013 des Notars C in H) übertrug die Beteiligte zu 1) das eingangs genannte Grundstück auf ihre zu 2) beteiligte Tochter. In § 7 behielt sich die Beteiligte zu 1) auf Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht am Vertragsgrundbesitz einschließlich Zubehör vor, in § 8 bestellte sich die Beteiligte zu 1) ein Wohnungsrecht an der im 1. Obergeschoss gelegenen Wohnung des Hauses verbunden mit dem Recht auf Mitbenutzung aller gemeinschaftlichen Anlagen und dem Recht Dritte in die Wohnung aufzunehmen, die Ausübung des Wohnrechts durch Dritte sollte aber ausgeschlossen sein.

Mit Schreiben vom 18.3.2013 überreichte der Notar den Übertragungsvertrag und beantragte u.a. aufgrund der Eintragungsbewilligungen der Beteiligten die Eintragung des Nießbrauchsrechts und des Wohnungsrechts.

Das Grundbuchamt wies mit Zwischenverfügung vom 4.4.2013 darauf hin, dem Antrag stehe entgegen, dass kein Rechtsschutzinteresse bestehe, neben dem Nießbrauch auch ein Wohnungsrecht einzutragen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, mit der sie eine notarielle Ergänzungsurkunde vorlegen (UR-Nr. 61/2013 des Notars C in H1), in der die in § 11 des notariellen Vertrages vom 18.3.2013 bevollmächtigte Notariatsangestellte Frau X namens der Beteiligten eine Rangerklärung abgab, nach der das Wohnungsrecht im Rang vor dem Nießbrauch in das Grundbuch eingetragen werden soll. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

II. Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar (§ 15 GBO) eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 3. Aufl., § 71 Rz. 11).

Sie hat auch in der Sache Erfolg, nachdem die Beteiligten in der Urkunde vom 11.4.2013 eine Rangbestimmung dahin getroffen haben, dass das Wohnungsrecht im Rang vor dem Nießbrauch eingetragen werden soll. Mit dieser Rangbestimmung konnte die Auffassung des Grundbuchamts, es fehle an einem Rechtsschutzinteresse der Beteiligten zu 2), ihr neben dem Nießbrauch auch ein Wohnungsrecht einzutragen, nicht mehr aufrechterhalten werden.

1. Die vom Grundbuchamt zitierte Rechtsprechung des Senats (FGPrax 1997, 168 = NJW-RR 1998, 304) betraf einen Fall, in dem ohne eine Rangbestimmung zu treffen beantragt wurde, neben einen Nießbrauch auch ein Wohnungsrecht einzutragen. Hierzu hat der Senat ausgeführt, der Nießbrauch, der seinem Wesen nach als persönliche Dienstbarkeit anzusehen ist, gewähre gem. § 1030 Abs. 1 BGB grundsätzlich das umfassende Recht, die gesamten Nutzungen (das sind die Sach- und Rechtsfrüchte sowie die Gebrauchsvorteile, § 100 BGB) des mit ihm belasteten Vermögensgegenstandes zu ziehen (vgl. OLG Hamm FGPrax 1997, 168 = NJW-RR 1998, 304; BayObLGZ 1979, 361). Dieser Nießbrauch erfasse alle die Rechte, die dem Inhaber eines Wohnungsrechts auch zustehen würden. Beide Rechte gäben dem Berechtigten eine Befugnis zur Benutzung der belasteten Sache. Während der Nießbrauch einer bestimmten Person das volle Nutzungsrecht gewährt, gewähre das Wohnungsrecht einer bestimmten Person nur das Recht zur Nutzung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles unter Ausschluss des Eigentümers. Auch hinsichtlich der Pflichten gelte, dass die des Nießbrauchers umfassender seien als die des Inhabers eines Wohnungsrechts und dass dessen sämtliche Pflichten auch dem Nießbraucher oblägen. Beim Nießbrauch müsse der Inhaber die Sache in ihrem Bestand erhalten, ihn treffe die Versicherungspflicht gegen Brandschäden und sonstige Unfälle, er müsse die öffentlichen Lasten der Sache (z.B. Steuern und Abgaben) und diejenigen privatrechtlichen Lasten tragen, die schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten (z.B. Zinsen von Grundpfandrechten), vgl. § 1041 bis 1047 BGB. Auch den Wohnungsrechtsinhaber treffe gem. § 1093 BGB die Unterhaltungspflicht aus § 1041 BGB, nicht aber die Versicherungspflicht aus § 1045 BGB und nicht die Lastentragungspflicht aus § 1047 BGB.

2. Anders stellt sich aber die Lage dar, wenn dem Nießbrauch ein Wohnungsrecht im Rang vorgeht. Denn ein entscheidender Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnungsrecht liegt in der Frage der Übertragbarkeit und damit einhergehend der Pfändbarkeit dieser Rechte. Ein Wohnungsrecht kann nach §§ 1092 Abs. 1 S. 1, 1093 BGB nicht übertragen und gem. § 857 Abs. 3 ZPO nicht gepfändet werden, es sei denn, der Eigentümer hat die Ausübung des Rechts durch einen Dritten gestattet, § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB; diese Ausnahme ist vorliegend bei der Bestellung des Wohnungsrechts ausdrücklich ausgeschlossen worden. Da das Wohnungsrecht nicht übertragbar und die Überlassung nicht...

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