Leitsatz (amtlich)

1. Zur Reichweite eines gerichtlichen Unterlassungsgebotes.

2. Zu den wesentlichen Eigenschaften iSd Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB bei einem Sonnenschirm (tlw. entgegen OLG Hamburg, MMR 2014, 818).

3. Zum Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Ordnungsmittelfestsetzungsverfahren.

 

Normenkette

ZPO § 890; BGB § 312j Abs. 2; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; RVG § 25 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Beschluss vom 18.12.2015; Aktenzeichen 8 O 9/14)

 

Tenor

I. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 35/16

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des Beschlusses des LG vom 02.03.2016) wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des Beschlusses des LG vom 02.03.2016) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 12.11.2015 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens beider Instanzen.

II. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 34/16

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin wird die Festsetzung des Gegenstandswertes in dem Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des Beschlusses des LG vom 02.03.2016) abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Ordnungsmittelverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Das LG verurteilte die Schuldnerin am 24.02.2014 im Wege der einstweiligen Verfügung u.a., es zu unterlassen,

im elektronischen Geschäftsverkehr Sonnenschirme und das entsprechende Zubehör an Verbraucher zu verkaufen, ohne, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise die Information über die wesentlichen Merkmale der Ware zur Verfügung zu stellen.

Dieser Verurteilung zugrunde lag eine Gestaltung des Online-Shops der Schuldnerin, bei der ein in den "elektronischen Warenkorb" eingelegtes Produkt in der "Warenkorbansicht", die zugleich die Schaltfläche zur Abgabe der Bestellerklärung ("Kaufen") enthielt, wie folgt beschrieben wurde (ohne Abbildung des Produktes):

"GLATZ, Sunwing' Schirm 260x260cm, Stoffklasse 5".

Das LG sah hierin einen Verstoß gegen die Regelung in § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. iVm Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a.F.

Mit ihrem Ordnungsmittelantrag beanstandete die Gläubigerin eine "Warenkorbansicht" mit der "Kaufen"-Schaltfläche, in der ein ausgewähltes Produkt - neben einer Abbildung des Produktes - wie folgt beschrieben wurde:

"Alu-Marktschirm 'Sahara ' ∅300cm, terrakotta Sonnenschirm mit komfortablem Kurbelantrieb. Wasserabweisender Polyesterbezug terrakottafarben mit Volants. Kartonverpackt."

Das LG sah hierin eine Zuwiderhandlung gegen das oben wiedergegebene Unterlassungsgebot. Mit Beschluss vom 18.12.2015 setzte es gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft, fest. Den Gegenstandswert des Ordnungsmittelverfahrens setzte das LG ebenfalls auf 500,00 EUR fest.

Gegen die Ordnungsmittelfestsetzung wenden sich die Gläubigerin und die Schuldnerin mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden. Die Gläubigerin begehrt eine Heraufsetzung des Ordnungsgeldes auf 5.000,00 EUR; die Schuldnerin ist der Auffassung, es liege keine Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot vor. Diese beiden sofortigen Beschwerden sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens I-4 W 35/16.

Darüber hinaus wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin mit einem von ihnen als "Streitwertbeschwerde" bezeichneten Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Ordnungsmittelverfahren, sie begehren eine Heraufsetzung dieses Wertes auf 5.000,00 EUR. Diese "Streitwertbeschwerde" ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens I-4 W 34/16.

Mit Beschluss vom 02.03.2016 setzte das LG das Ordnungsgeld auf 1.000,00 EUR, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, herauf; den "Streitwert" des Ordnungsmittelverfahrens setzte es ebenfalls auf 1.000,00 EUR herauf. Im Übrigen half es den eingelegten Rechtsmitteln nicht ab.

B.I. Beschwerdeverfahren I-4 W 35/16

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist unbegründet; die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist begründet und führt zur Zurückweisung des Ordnungsmittelantrages.

1. Die Voraussetzungen für die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO liegen nicht vor. Es fehlt an einer Zuwiderhandlung gegen das vom LG im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Unterlassungsgebot.

a) Es spricht bereits vieles dafür, dass von dem gerichtlich ausgesprochenen Unterlassungsgebot nur solche "Warenkorbansichten" - als kerngleiche Verstöße - erfasst werden, die sich auf diejenigen Merkmalsangaben beschränken, die in...

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