Leitsatz (amtlich)

Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern (§§ 1970 ff. BGB) darf jedenfalls grundsätzlich nicht mit der Begründung verneint werden, das Verfahren werde nur wegen einer geringfügigen Forderung eines Gläubigers betrieben, die deutlich unter den Kosten des Aufgebotsverfahrens liegt. Sinn und Zweck des Aufgebotsverfahrens besteht gerade darin, aufzuklären, ob und in welcher Höhe (weitere) Nachlassverbindlichkeiten bestehen.

 

Normenkette

BGB § 1970 ff.; FamFG § 454 ff.

 

Verfahrensgang

AG Lüdenscheid (Aktenzeichen 90a II 27/19)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das Amtsgericht wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß § 1970 BGB durchzuführen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten, in deren Zuständigkeit die Abwicklung von Erbschaften des Landes Nordrhein-Westfalen fällt, auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern gem. den §§ 1970 BGB iVm. §§ 454 ff FamFG zu Unrecht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen liegen vor.

Der Fiskus - und für diesen die Beteiligte - ist antragsbefugt im Sinne des § 455 FamFG. Das Erbrecht des Fiskus ist festgestellt durch Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lüdenscheid vom 11. Juni 2019, Aktenzeichen 9 VI 234/19. Eine unbeschränkte Haftung, die gemäß § 455 Abs. 1 FamFG die Antragsberechtigung des Erben entfallen lassen würde, kann beim Fiskus als Erben gemäß § 2011 Satz 1 BGB nicht eintreten.

Eine Antragsfrist besteht nicht.

Das gemäß § 456 FamFG erforderliche Verzeichnis der Nachlassgläubiger liegt vor.

Der Beteiligten fehlt schließlich auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag. Das Aufgebot soll dem Erben einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten und damit zugleich eine sichere Grundlage für die Entscheidung verschaffen, ob er die Erbenhaftung durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auf den Nachlass beschränken will (Zimmermann in Keidel, 20. Auflage, 2020, § 455, Rn. 1). Dabei hilft das Aufgebotsverfahren insbesondere wegen der Ausschlusswirkung nach § 1973 BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Auflage, 2020, § 1970, Rn. 1; Klinck in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB Band 5, 8. Auflage, 2017, § 1970, Rn. 4.) Außerdem soll es dem Erben die notwendigen Unterlagen zur Verteilung der Masse an die Gläubiger verschaffen.

Danach kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Aufgebotsverfahren nicht mit der Begründung verneint werden, das Verfahren werde - ausweislich des Verzeichnisses der Nachlassgläubiger - wegen einer geringfügigen Forderung eines Gläubigers betrieben, die deutlich unter den Kosten des Aufgebotsverfahrens läge. Denn die Beteiligte hat gerade vorgetragen, dass ihr nicht (sicher) bekannt ist, ob und in welcher Höhe (weitere) Nachlassverbindlichkeiten bestehen. Dies weiter aufzuklären, ist Sinn und Zweck des Verfahrens. Dass im Streitfall Nachlassverbindlichkeiten bestehen, liegt auch nahe. Immerhin haben sämtliche bekannten gesetzlichen Erben die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen.

Kostenentscheidung und Wertfestsetzung sind wegen des Erfolgs der Beschwerde entbehrlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13899804

ZEV 2020, 445

Rpfleger 2020, 589

NotBZ 2021, 61

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