Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 21.07.2005; Aktenzeichen 3 O 306/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.12.2007; Aktenzeichen XII ZB 240/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des LG Essen vom 21.7.2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 92.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung des .../Italien vom 19.1.2004, mit der im Rahmen von weiteren Regelungen aus Anlass der richterlichen Genehmigung des Getrenntlebens die Zahlung von Ehegatten und Kindesunterhalt von insgesamt 4.000 EUR monatlich angeordnet worden ist.

Das LG hat antragsgemäß die Vollstreckbarerklärung und die Erteilung der Vollstreckungsklausel beschlossen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der die verspätete Zustellung der italienischen Entscheidung ("ab März 2004") rügt, was ihn an einer Rechtsmitteleinlegung gehindert habe. Er meint weiter, die Vollstreckbarerklärung verstoße gegen den deutschen Ordre public, weil die Unterhaltsverpflichtungen angesichts weiterer Ausgaben seine Leistungsfähigkeit überstiegen. Außerdem behauptet er, dass die Antragstellerin ihm ggü. zugesagt habe, aus dem Urteil nicht zu vollstrecken.

II. Die gem. Art. 43 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 - EuGVVO - i.V.m. § 11 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG - zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Zwar war dem Antrag nicht die Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO beigefügt, darauf konnte jedoch nach Art. 55 EuGVVO verzichtet werden, weil die Antragstellerin andere Urkunden vorgelegt hat, aus denen sich namentlich die Vollstreckbarkeit der Entscheidung in Italien und die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ergeben.

2. Der Vollstreckbarerklärung steht keines der in Art. 45 EuGVVO in Bezug genommenen Anerkennungshindernisse entgegen. Das betrifft zunächst die rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks i.S.v. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. Nachdem das Tribunale di Udine im ersten Verhandlungstermin am 26.11.2003 festgestellt hat, dass dem nicht erschienenen Antragsgegner möglicherweise keine ausreichende Einlassungsfrist zur Verfügung gestanden hat, hat es die Verhandlung auf den 19.1.2004 vertagt. Dazu ist der Antragsgegner ausweislich des in Ablichtung vorgelegten Rückscheins am 13.12.2003 geladen worden. Dass der Antragsgegner die Klageschrift nicht erhalten hat, ist nicht behauptet. Die bei den Akten befindliche Ablichtung enthält den Eingangsvermerk des Gerichts vom 13.10.2003 und einen Vermerk über die Zustellung am 13.12.2003.

3. Dass der Antragsgegner die Entscheidung erst im März 2004 "in Händen" hatte, ist für die Vollstreckbarerklärung unerheblich, weil es ausweislich Art. 42 Abs. 2 EuGVVO grundsätzlich ausreicht, wenn das Urteil mit der Vollstreckbarerklärung zugestellt wird. Da mangels konkreten abweichenden Vortrags nach den vorgelegten Urkunden davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner rechtzeitig vom Verfahren unterrichtet war, war es seine Sache Vorsorge zu treffen, dass er rechtzeitig vom Erlass einer Entscheidung erfuhr. Der zweite Halbsatz des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO kommt also gar nicht zur Anwendung. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum eine Zustellung im März den Antragsgegner an der Rechtsmitteleinlegung gehindert haben soll, denn auch nach italienischem Recht läuft die Rechtsmittelfrist ab Zustellung der anzufechtenden Entscheidung.

4. Die Anerkennung widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung i.S.v. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. Das betrifft zum einen die Frage des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners, dessen Verletzung angesichts des unzureichenden Vortrags nicht festgestellt werden kann. Dieses Anerkennungshindernis ist zwar von Amts wegen zu berücksichtigen, aber nur im Rahmen des vom Anerkennungsgegner Dargelegten. Die sachlichen Einwände berühren den deutschen Ordre public nicht, denn von einer zur "Enteignung" führenden Zahlungsverpflichtung kann schon mangels hinreichenden Vortrags zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Rede sein. Im Übrigen ist das Tribunale di Udine weit hinter der Forderung der Antragstellerin zurückgeblieben, hat sich also offensichtlich Gedanken über die Leistungsfähigkeit gemacht. Ob und wie die Verpflichtung ggf. durch Abänderungsklage verringert werden kann, haben im Hinblick auf Art. 2 und 5 Nr. 2 EuGVVO vermutlich die englischen Gerichte zu befinden.

5. Soweit der Antragsgegner sich auf eine mündliche Vereinbarung mit der Antragstellerin, aus der Entscheidung nicht zu vollstrecken, beruft, ist das zwar nicht ausdrücklich, sondern nur mit anwaltlichem Nichtwissen bestritten worden, jedoch ergibt sich schon aus dem Vorgehen der Antragstellerin, dass sie sich dadurch nicht (mehr) gebunden fühlt. Im Ü...

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