Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 23 Qs 142/20)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Präsident des Oberlandesgerichts hat unter dem 3. März 2021 zum Rechtsmittel des Bezirksrevisors des Landgerichts Detmold Folgendes ausgeführt:

"Die weitere Beschwerde ist auch meines Erachtens gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG zulässig (vgl. Bl. 270, 271) und begründet.

Dabei folge ich der Begründung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Detmold in seinem Beschwerdeschreiben vom 05.01.2021 (Bl. 274 ff.) und ergänze seine Ausführungen (teilweise wiederholend) wie folgt:

Zum Sachverhalt: Rechtsanwalt A war dem seinerzeitigen Angeklagten mit Beschluss vom 22.01.2019 (Bl. 64) als Pflichtverteidiger bestellt worden und hat den Mandanten bis zum Abschluss des Verfahrens verteidigt. Gegen das Berufungsurteil hatte die StA am 03.09.2019 (Bl. 120) Revision eingelegt (ohne Antrag und ohne Gründe) und diese am 16.10.2019 (Bl. 130) zurückgenommen, nachdem sie das mit Gründen versehene Berufungsurteil am 30.09.2019 (Bl. 127) erhalten hatte und das Landgericht auch Rechtsanwalt A das mit Gründen versehene Berufungsurteil am 27.09.2019 zugesandt hatte (Bl. 126; EB vom 04.10.2019, Bl. 129).

Rechtsanwalt A beschreibt seine Tätigkeiten im Revisionsverfahren insbesondere in seinen im Erinnerungsverfahren vor dem Amtsgericht Lemgo übersandten Schreiben vom 20.03.2020 (Bl. 174 ff.) und vom 06.04.2020 (Bl. 187 ff.) sowie in seiner Beschwerdeschrift vom 19.10.2020 (Bl. 218).

Danach habe er hier insbesondere

a. mit dem Mandanten zum einen ein Telefonat und des weiteren ein persönliches Gespräch darüber geführt, dass die StA Revision eingelegt hat und nach Auffassung des Rechtsanwalts mit welchen Erfolgsaussichten (Bl. 177); er habe mit dem Mandanten die Erfolgsaussichten der Revision der StA, die sich erkennbar mutmaßlich auf die Frage der Bewährung beschränkt hätte, besprochen und erörtert (Bl. 222, 188, 177),

b. einen Erwiderungsschriftsatz auf die zu erwartende Revisionsbegründung der StA, die sich hier wie erwartet im wesentlichen auf die Sachrüge gestützt hätte im Hinblick auf die Frage der Bewährung oder nicht, vorbereitet (Bl. 222, 178), zumal der Mandant auch bereits darum gebeten habe, dann möglichst schnell auf die Revisionsbegründung der StA schriftsätzlich zu reagieren (Bl. 222, 188).

Der Anwalt könne nicht hellsehen dahin, dass, wie im Nachhinein erfolgte, die StA die zunächst eingelegte Revision wieder zurücknimmt, ohne diese zu begründen (Bl. 188). Allein schon die Tatsache der Einlegung der Revision und der daraus zu ziehenden Schlussfolgerung einer mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Revisionsbegründung rechtfertige die Gebühr (Bl. 175).

Wenn auch die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren Nr. 4130 VV RVG für diese Tätigkeiten entstanden sein mag, ist es für die Zahlung der Pflichtverteidigervergütung aus der Landeskasse jedoch auch primär entscheidend, ob die Tätigkeiten, die der Verteidiger im Revisionsverfahren entwickelt hat, überhaupt notwendig waren.

Für die Tätigkeit des Verteidigers besteht bei alleinigem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft eine rechtliche Notwendigkeit solange nicht, wie diese ihre Revision nicht begründet hat. Zwar hat ein Angeklagter durchaus ein anzuerkennendes Interesse, eine anwaltliche Einschätzung der Erfolgsaussichten der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision zu erhalten. Vor Zustellung des Urteils und Begründung der Revision beschränkt sich dieses Interesse aber auf ein subjektives Beratungsbedürfnis, während hingegen objektiv eine Beratung weder erforderlich noch sinnvoll ist. Denn sachgerechte und zweckdienliche Tätigkeiten eines verständigen Verteidigers können erst dann angezeigt sein, wenn feststeht, dass die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel nach näherer Überprüfung der Erfolgsaussichten überhaupt weiterverfolgt, und wenn an Hand der Anträge und der Begründung (§ 344 StPO) ), zu der die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist (vgl. Nr. 156 RiStBV), das Ziel und der Umfang der Revisionsangriffe feststellbar sind. Der dann feststehende Gegenstand der Revisionsrügen ermöglicht erst eine auf den Einzelfall bezogene und das weitere Vorgehen präzisierende Beratung des Angeklagten durch seinen Verteidiger. Vor Zustellung einer Revisionsbegründung kann der Angeklagte sich mit seinem Verteidiger nur über potentielle und hypothetische Revisionsangriffe beraten und theoretisch eine bestimmte Verteidigungsstrategie entwerfen; eine diesbezügliche Tätigkeit des Verteidigers wäre nur spekulativ, also gerade nicht zweckentsprechend und sachgerecht.

Wie im Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO sind auch im Verfahren nach § 55 RVG nur die Gebühren und Auslagen des Pflichtverteidigers erstattungsfähig, die zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Notwendigkeit nach § 55 RVG folgt aus § 48 Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach dem Besc...

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