Leitsatz (amtlich)

Zur Begründung der Entscheidung, vom Fahrverbot absehen zu wollen und zum Vorliegen einer unzumutbaren Härte.

 

Verfahrensgang

AG Meschede (Entscheidung vom 12.05.2003)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Meschede zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 225,00 EUR festgesetzt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 29. November 2002 die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h.

Zuvor war gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 34 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft mit Bußgeldbescheid vom 12. Dezember 2001, rechtskräftig seit dem 25. Januar 2002, eine Geldbuße von 200,00 DM verhängt worden.

Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

"Die Richterin hat die Verhängung einer Geldbuße von 225,00 EUR für angemessen, aber auch erforderlich gehalten.

Ziff. 11.3.6 BKatV sieht bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften eine Regelgeldbuße von 75,00 EUR vor.

§ 4 Abs. 2 S. 2 BKatV sieht ein Regelfahrverbot dann vor, wenn gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und der Betroffene innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Ein solcher Regelfall ist vorliegend gegeben. Dennoch wurde gem. § 4 Abs. 3 BKatV von der Verhängung eines Fahrverbotes bei gleichzeitiger Erhöhung der Regelgeldbuße um 200 % abgesehen.

Von der Verhängung eines Regelfahrverbotes kann unter Erhöhung der Regelgeldbuße abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl gewöhnlicher Umstände vorliegen, die es unangemessen erscheinen lassen, den Betroffenen trotz des groben bzw. beharrlichen Pflichtverstoßes mit einem Fahrverbot zu belegen (BGHSt 38, 125 [134]; OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.2003, Az. 4 Ss OWi 75/03).

Vorliegend würde das Fahrverbot für den Betroffenen eine erhebliche Härte darstellen, die es unangemessen erscheinen lässt, ihn mit einem solchen zu belegen. Der Betroffene hat glaubhaft gemacht, dass er als selbstständiger Dachdeckermeister beruflich auf den Führerschein angewiesen ist. So müsse er ständig zu Baustellen fahren. Diese Fahrten würden mit einem 7,5-Tonner durchgeführt, an dem meist noch ein Anhänger für die Gerüste angekoppelt wäre. Nur er könne den LKW fahren. Zwar beschäftige er noch zwei weitere Angestellte. Jedoch wäre der eine zurzeit nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, der andere verfüge nicht über die nötige Erfahrung, um einen 7,5-Tonner mit Anhänger gefahrlos zu führen. Dem Betroffenen sei es auch nicht möglich, als Inhaber des Geschäftes vier Wochen Urlaub zu nehmen. Auch sei es ihm nicht möglich, für vier Wochen einen Aushilfsfahrer einzustellen. Denn zum einen müsse dieser erst angelernt werden, wegen der Schwierigkeiten, einen LKW mit Anhänger zu fahren, zum anderen könne er sich die Anstellung eines Aushilfsfahrer derzeit nicht leisten. Sein Unternehmen hätte die letzten zwei Jahre keine Gewinne verbucht. Den Verlust der Fahrerlaubnis mit der Folge, dass er mit dem Großteil seiner Arbeitskraft ausfalle, könne er betriebswirtschaftlich nicht abfangen. Dies würde ihn existenziell beeinträchtigen und möglicherweise die Existenzvernichtung der Firma zur Folge haben.

Die Richterin hat den Angaben des Betroffenen deshalb geglaubt, da ihr die Betriebsstrukturen mittelständischer, kleinerer Handwerksbetriebe bekannt sind. In solchen Betrieben ist der Unternehmer selber aktiv im Betrieb beschäftigt. Seine Aufgaben beschränken sich nicht lediglich auf die buchhalterische Geschäftsführung. Ferner ist es auch glaubhaft, dass die Fahrten zu den Baustellen nicht durch jeden Fahrer durchgeführt werden können. Denn es ist glaubhaft, dass an einen 7,5-Tonner noch der Anhänger für das Gerüst gekoppelt wird und dass das Fahren und Rangieren mit einer solchen Fahrzeugkombination einer gewissen Erfahrung bedarf.

Ferner sprach für den Betroffenen, dass er den Tatvorwurf unumwunden eingeräumt hat, obwohl das von ihm aufgenommene Foto von einer solch schlechten Qualität ist, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass - wenn der Betroffene sich zum Vorwurf nicht eingelassen hätte - der Tatnachweis möglicherweise nicht hätte geführt werden können.

Sinn und Zweck des Fahrverbotes ist es, als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme zur Hebung der Verkehrssicherheit beizutragen, erfüllt also in erster Linie spezialpräventive Aufgaben. Sinn ist es nicht, dem Betroffenen und seinen Angestellten die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen.

Die Richterin ist davon überzeugt,...

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