Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 101 StVK 3308/21)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Die Entscheidung der LWL-Maßregelvollzugsklinik Z. vom 24. Oktober 2021, mit dem der Antrag des Betroffenen vom 18. Oktober 2021 auf Herausgabe der in seiner Habe befindlichen Musikanlage abgelehnt worden ist, wird aufgehoben.

Der Leiter der LWL-Maßregelvollzugsklinik Z. wird angewiesen, den Betroffenen unter Berücksichtigung der nunmehr geltenden Gesetzeslage (neu) zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Der Betroffene verbüßt aktuell eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten unter anderem wegen Geiselnahme und Vergewaltigung. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet worden. Aus diesem Grund befand er sich vom 08. Juli 2014 bis zum 31. August 2021 im LWL-Zentrum für forensische Psychiatrie R.. Aufgrund der bei ihm ergänzend diagnostizierten Betäubungsmittelproblematik wurde er in Erwartung besserer Behandlungsmöglichkeiten am 31. August 2021 in die Klinik des Antragsgegners verlegt.

Im LWL-Zentrum für forensische Psychiatrie R. war dem Betroffenen der Besitz und die Nutzung seiner Musikanlage "M. RXD 355" im Patientenzimmer genehmigt worden, die ihm nach der Verlegung nicht mehr ausgehändigt worden war. Sein Antrag auf Aushändigung vom 18. Oktober 2021 wurde am 24. Oktober 2021 unter Hinweis darauf, dass eine Musikanlage mit abnehmbaren Lautsprechern nicht den aktuellen Regelungen in der Klinik entspreche, mündlich abschlägig beschieden.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 25. Oktober 2021 an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld (im Folgenden: Strafvollstreckungskammer) wandte sich der Betroffene gegen diese Ablehnung.

Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 07. März 2022 ist der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden. Die Strafvollstreckungskammer hat ausgeführt, dass sich die Klinik nach § 7 Abs. 3 S. 2 MRVG NRW ermessensfehlerfrei auf Sicherheitsbedenken berufen habe. Der Betroffene genieße auch keinen Vertrauensschutz als Ausfluss der Genehmigung des Gerätes im LWL-Zentrum für forensische Psychiatrie R.. Dieser wirke in Anwendung des MRVG NRW nach einem Klinikwechsel nicht fort, so dass seitens der Klinik eine eigene neue Genehmigungsentscheidung zu treffen sei.

Gegen diesen Beschluss der Strafvollstreckungskammer, der dem Betroffenen am 10. März 2022 zugegangen ist, wendet sich dieser mit der am 31. März 2022 eingelegten Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verfolgt und weiterhin die Verpflichtung der Klinik zur Aushändigung seiner Musikanlage begehrt.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat mit Zuschrift vom 11. August 2022 Stellung genommen und beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrundes als unzulässig, hilfsweise jedenfalls als unbegründet zu verwerfen.

Die Gegenerklärung des Betroffenen vom 02. September 2022 ist am 07. September 2022 beim Senat eingegangen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache (zumindest vorläufig) Erfolg.

1.

Die gemäß § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte sowie mit der allgemeinen Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig.

Sie war - wie geschehen - gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Danach erfolgt die Zulassung, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. z.B. Senat, Beschlüsse vom 29. April 2022 zu III-1 Vollz(Ws) 76/22 und vom 24. Mai 2022 zu III-1 Vollz(Ws) 120+121/22; Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 116 StVollzG, Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist gegeben, denn der vorliegende Einzelfall betrifft die abstraktionsfähige Frage, ob ein in einer Klinik des Maßregelvollzuges begründeter Vertrauens- bzw. Bestandsschutz bei einem Klinikwechsel fortbesteht, wozu sich der landesweit für Vollzugssachen zuständige Senat bisher nicht geäußert hat.

2.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache (zumindest vorläufigen) Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verpflichtung der LWL-Maßregelvollzugsklinik Z. zur Neubescheidung des Betroffenen, wobei diese die Neubescheidung unter Geltung der maßgeblichen Vorschriften des seit dem 01. Januar 2022 in Kraft getretenen Gesetzes zur Durchführung strafrechtsbezogener Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt in Nordrhein-Westfalen (StrUG NRW) vorzunehmen haben wird.

a)

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 11. Februar 1999 zu III-1 Vollz(Ws) 4/99 (veröffentlicht bei juris) entschieden, dass im Anwendungsbereich des ...

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