Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert für eine Unterlassungsklage wegen unerwünschter Werbeschreiben orientiert sich insbesondere an dem Interesse der Klägerin im Einzelfall, durch die entsprechende Werbung der Beklagten nicht belästigt zu werden. Ist diese Belästigung zwar einerseits als verhältnismäßig gering zu bewerten, andererseits jedoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit erfolgt (vier Schreiben in knapp sechs Monaten), wird das Unterlassungsinteresse der Klägerin durch einen Streitwert i.H.v. 4.000 EUR angemessen berücksichtigt.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 2; BGB § 1004 Abs. 1 S. 2, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 04.07.2012; Aktenzeichen 18 O 119/12)

 

Tenor

Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 18. Zivilkammer des LG Bielefeld vom 4.7.2012 - 18 O 119/12, abgeändert und der Streitwert auf 4.000 EUR festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus in C. Die Beklagte betreibt unter der Bezeichnung "H" ein Register, in dem sich Unternehmen und auch Firmen unter Angabe ihrer Firmen- und Betriebsdaten registrieren können. Hierfür verwendet die Beklagte ein Formular, das sie der Klägerin - auch nach ausdrücklicher Aufforderung, dies zu unterlassen - mehrfach unaufgefordert zusandte. Dabei nennt die Klägerin konkret Schreiben der Beklagten vom 30.11.2011, 22.12.2011, 20.4.2012 und 15.5.2012.

Das LG hat der Unterlassungsklage der Klägerin durch Versäumnisurteil vom 4.7.2012 stattgegeben und den Streitwert gleichzeitig durch Beschluss auf 10.000 EUR festgesetzt. Das Verhandlungsprotokoll, das das Versäumnisurteil und den Streitwertbeschluss enthält, ist der Beklagten am 18.7.2012 übersandt worden, eine Ausfertigung des Versäumnisurteils am 17.8.2012.

Auf den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG vom 9.1.2013 hat die Beklagte durch einen am 29.1.2013 beim LG eingegangenen Schriftsatz "gegen den Streitwertbeschluss vom 9.1.2013" Beschwerde eingelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Streitwert in der vom LG festgesetzten Größenordnung lediglich im Bereich des UWG und des gewerblichen Rechtsschutzes angesetzt werden könne, nicht jedoch im vorliegenden Fall, der rein nach den BGB-Vorschriften zu beurteilen sei. Durch die Übersendung der Formulare liege auch kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor, da eine unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebes als solchen bzw. eine Bedrohung seiner Grundlage durch die Übersendung der Formulare nicht erfolgt sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beschwerde bereits unzulässig sei. So ergebe sich aus dem Beschwerdeschriftsatz schon nicht, dass die Beklagtenvertreter die Beschwerde namens und in Vollmacht ihrer Mandantin eingelegt hätten. In der Sache verteidigt die Klägerin den vom LG festgesetzten Streitwert. Das Verhalten der Beklagten stelle sehr wohl einen unmittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i.S.v. § 823 BGB dar. Mit der - vorliegend ausgesprochen zahlreichen - Zusendung von Werbepost sei eine unmittelbare Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Klägerin verbunden. Sämtliche eingehenden Schreiben würden bei der Klägerin bearbeitet, katalogisiert und innerhalb der Organisation der Klägerin weitergereicht.

II. Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.

Wie das LG zutreffend angenommen hat, ist die Beschwerde als Streitwertbeschwerde i.S.v. § 68 Abs. 1 GKG gegen den Beschluss des LG vom 4.7.2012 auszulegen. Zwar nennt die Beklagte als angefochtene Entscheidung in ihrem Schriftsatz den "Beschluss vom 9.1.2013". Ihre Ausführungen beziehen sich jedoch sämtlich auf die durch Beschluss vom 4.7.2012 vorgenommene Streitwertfestsetzung und nicht auf die durch Beschluss der Rechtpflegerin vom 9.1.2013 vorgenommene Kostenfestsetzung. Dass es sich bei ihrer Beschwerde um eine Streitwertbeschwerde handelt, hat sie mit Schriftsatz vom 9.4.2013 ausdrücklich klargestellt - auch wenn sie in diesem Schriftsatz wieder unzutreffend den "Streitwertbeschuss vom 9.1.2013" nennt.

Die Streitwertbeschwerde ist innerhalb der gem. §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG geregelten Sperrfrist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache eingelegt worden.

Der Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde steht - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - auch nicht entgegen, dass die Beklagtenvertreter die Beschwerde nicht ausdrücklich namens und in Vollmacht der Beklagten eingelegt hat. Auch insoweit ist die Beschwerde entsprechend auszulegen, zumal lediglich die Beklagte selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Festsetzung eines möglichst niedrigen Streitwerts hat.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses.

Der Streitwert für nichtvermögensrechtliche Ansprüche wird gem. § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere des Umfangs und der Bedeutung...

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