Entscheidungsstichwort (Thema)

Volljährigenunterhalt: Vorwegabzug des Minderjährigenunterhalts beim Unterhalt des privilegiert Volljährigen

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet ein Elternteil für ein nicht gemeinsames minderjähriges Kind Barunterhalt, scheidet dessen Vorwegabzug bei der Bemessung der Haftungsanteile für das gemeinsame privilegiert volljährige Kind nicht zwingend aus. Die in jedem Einzelfall gebotene Billigkeitsabwägung kann den Vorwegabzug rechtfertigen, wenn dadurch keine unangemessene Belastung des anderen Elternteils in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen eintritt.

 

Normenkette

BGB § 1606 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Witten (Beschluss vom 21.07.2010; Aktenzeichen 22 F 197/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30.07.2010 gegen den Beschluss des AG -Familiengericht - W vom 21.7.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das AG hat dem für den Unterhaltsantrag des Schriftsatzes vom 27.5.2010 gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag nur teilweise entsprochen, nämlich für ein Unterhaltsverlangen i.H.v. monatlich 261 EUR ab Juni 2010. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusses verwiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die er im Wesentlichen mit dem Argument begründet, zu Unrecht habe das AG bei der Berechnung des Haftungsanteils der Eltern für seinen Unterhalt die Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners ggü. den aus einer anderen Beziehung stammenden minderjährigen Kindern M, geb. am 16.12.2007, und L, geb. am 18.3.2010, vorweg abgezogen; die angemessene Berechnung sei die ohne Vorwegabzug. Der Haftungsanteil des Antragsgegners betrage danach 323 EUR.

Das AG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässig; sie hat in der Sache keinen Erfolg.

Die weitergehende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf der Grundlage der von dem Rechtsmittelführer zur Berechnung der Haftungsanteile vertretenen Auffassung kommt nicht in Betracht.

Der Senat tritt der Auffassung des AG bei, wonach entsprechend der Regelung in Nr. 13.3.2 HLL - außerhalb des Mangelfalls- grundsätzlich bei der Bemessung der Haftungsanteile der einem privilegiert volljährigen gemeinsamen Kind unterhaltspflichtigen Eltern - also nicht bei der Ermittlung des Bedarfs - auch der von einem Elternteil geschuldete und gezahlte Unterhalt für minderjährige Kinder vorweg abgezogen wird. Der Vorwegabzug gilt - nach dem Wortlaut der Nr. 13.3.,2 2. Satz HLL - auch dann, wenn es sich um minderjährige Kinder aus einer anderen Beziehung handelt.

Zutreffend verweist der Antragsteller auf Nr. 13.3.2 3. Satz HLL, wonach hiervon im Einzelfall abgewichen werden kann, wenn der Vorwegabzug zu einem unbilligen Ergebnis führt wie z.B. bei der Berücksichtigung nicht gemeinsamer minderjähriger Kinder. Hintergrund dieses angeführten Beispiels ist die Erwägung, dass der Elternteil, in dessen Haushalt das privilegiert volljährige Kind lebt, wirtschaftlich nicht durch von dem anderen Elternteil allein zu verantwortende weitere Unterhaltslasten belastet werden soll. Ob dies der Fall ist, ist auch in dem aufgeführten Beispielsfall jeweils nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.

Insoweit ist im Einzelfall im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ansätze - mit oder ohne Vorwegabzug - zu befinden, ob die wirtschaftliche Belastung der Elternteile im einen oder im anderen Fall angemessen ist.

Insoweit stellen sich die alternativen Berechnungen auf der Grundlage der vom AG zugrunde gelegten Einkommensverhältnisse und nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.2010, mit folgendem wirtschaftlichen Ergebnis dar:

Berechnung mit Vorwegabzug

Einkommensermittlung

bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Vaters

1.923,83 EUR

bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen der Mutter

1.274 EUR

Bedarfsberechnung

Der Bedarf bestimmt sich nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern; Unterhaltsansprüche Dritter bleiben unberücksichtigt

3.197,83 EUR

Bedarf nach Altersstufe IV der DT oder pauschaler Bedarf eines Studenten/Kindes mit eigenem Hausstand

6. Egr.

625 EUR

./. Ausbildungsvergütung

0 EUR

ggf. ausbildungsbedingter Mehrbedarf

0 EUR

./. Kindergeld

-184 EUR

441 EUR

Bestimmung der Haftungsanteile der Eltern

Einkommen des Vaters

1.923,83 EUR

abz. Unterhaltsverpflichtungen

M × 16.12.2007

2. EGr. wegen Herabstufung

333 EUR

abz. hälftiges Kindergeld

-92 EUR

-241 EUR

L × 18.3.2010

2. EGr. wegen Herabstufung

333 EUR

abz. hälftiges Kindergeld

-92 EUR

-241 EUR

verbleibendes Einkommen

1.441,83 EUR

abz. Selbstbehalt

-900 EUR

Haftungsmasse des Vaters

541,83 EUR

Einkommen der Mutter

1.274 EUR

abz. Unterhaltsverpflichtungen

0 EUR

0 EUR

abz. Selbstbehalt

-900 EUR

Haftungsmasse der Mutter

374 EUR

Haftungsmasse der Eltern insgesamt

915,83 EUR

(Rest)Bedarf

100...

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