Leitsatz (amtlich)

Eine erbvertragliche Regelung, durch die inhaltlich übereinstimmend mit § 8 HöfeO a.F. dem überlebenden Ehegatten das Recht eingeräumt wird, eines der gemeinsamen Kinder zum Hoferben bzw. Hofnacherben zu bestimmen, kann, wenn Jahrzehnte später die Hofeigenschaft infolge Aufgabe der Bewirtschaft wegfällt, ohne dass der überlebende Ehegatte bis zu seinem Tod eine weitere Verfügung getroffen hat, dahin ausgelegt werden, dass die beiden gemeinschaftlichen Kinder als Schlusserben des letztverstorbenen Ehegatten eingesetzt sind.

 

Normenkette

HöfeO a.F. § 8; BGB §§ 2084, 2269

 

Verfahrensgang

AG Lippstadt (Aktenzeichen 8 VI 424/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Tatsachen, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 1) und 2) gestellten Hauptantrags erforderlich sind, werden festgestellt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Kinder der Erblasserin; die Beteiligten zu 1) und 2) sind ihre Kinder aus der am 21.6.1955 geschlossenen Ehe mit dem Landwirt S, die Beteiligten zu 3) und 4) sind voreheliche Abkömmlinge.

Am 10.5.1963 schlossen die Erblasserin und ihr zweiter Ehemann (beide unter dem Namen S) vor dem Notar Dr. T in Z1 (Urkunde Nr. 90/1963) einen Ehe- und Erbvertrag. Ehevertraglich vereinbarten sie unter A. die Gütergemeinschaft nach dem BGB, die erbvertragliche Regelungen lautet:

B. Für den Fall unseres Ablebens schließen wir nachstehenden Erbvertrag:

Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein mit der Maßgabe, dass im Falle des Ablebens der Ehefrau der Ehemann Hofesvorerbe der von der Mutter der Ehefra Ww. N anfallenden, im Grundbuch von Z1 Bd. 25 Bl. 455 eingetragenen Hofstelle sein soll.

In diesem Falle steht dem Ehemann als Hofesvorerben das Recht zu, entweder die Hofstelle zur gegebenen Zeit auf einer seiner z. Zt. minderjährigen Söhne S1 (6 Jahre) - [= der Beteiligte zu 1)] oder S2 (2 Jahre) [= der Beteiligte zu 2)] bzw. einen etwa noch zu erwartenden Abkömmling zu übertragen oder aber durch letztwillige Verfügung den Hofesnacherben zu bestimmen. Das gleiche Recht steht im Überlebensfall der Ehefrau zu.

Wir bestimmen weiterhin, dass den vorehelichen Kindern der Ehefrau nämlich C (z. Zt. 10 Jahre) [= der Beteiligte zu 3)] und C2 (z. Zt. 9 Jahre) [= die Beteiligte zu 4)] nach dem Ableben ihrer Mutter gemäß den Bestimmungen der Höfeordnung ihr gesetzlicher Erbteil ausgezahlt wird.

Eine Hofnacherbenbestimmung oder weitere letztwillige Verfügungen haben die Eheleute S nicht getroffen.

Der Ehemann der Erblasserin verstarb am 31.5.1970, die Erblasserin am 23.2.2009. Den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses wies das Landwirtschaftsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 19.2.2010 mit der Begründung zurück, bei Tod der Erblasserin habe ein Hof im Sinne der HöfeO nicht mehr vorgelegen.

Am 8.7.2010 beantragten die Beteiligten zu 1) und 2) zur Niederschrift des Notars T2 in M (Urkunde-Nr. 238/2010) die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterben zu je ½ Anteil nach ihrer Mutter ausweist, hilfsweise der sie und die Beteiligten zu 3) und 4) als Miterben zu je ¼ Anteil ausweist.

Die Beteiligten zu 3) und 4) traten dem Hauptantrag entgegen, weil sich kein Anhaltspunkt für eine ergänzende Auslegung des Ehe- und Erbvertrages dahin ergebe, dass die Beteiligten zu 1) und 2) im Falle des Erlöschens der Hofeigenschaft alleinige Erben und sie nur Pflichtteilsberechtigte nach ihrer Mutter werden sollten. Der Gegenstand des Erbvertrages sei ausschließlich der Hof.

Mit Beschluss vom 8.10.2010 wies das AG den Hauptantrag zurück und führte in den Gründen aus, die Beteiligten seien jeweils zu ¼ Anteil gesetzliche Erben nach § 1924 BGB geworden.

Gegen diese ihnen am 13.10.2010 zugestellte Entscheidung richten sich die Beschwerden des Beteiligten zu 1) vom 9.11.2010 und Beteiligten zu 2) vom 11.11.2010. Sie beantragen, das AG anzuweisen, einen gemeinschaftlichen Erbschein gemäß ihrem Hauptantrag vom 8.7.2010 zu erteilen.

In der Sache trugen sie ergänzend wie folgt vor:

Der im Grundbuch von Z2 Blatt 96 als Hof eingetragene Grundbesitz habe zunächst im Eigentum der 1979 verstorbenen Mutter der Erblasserin, N, gestanden, deren einziges Kind die Erblasserin gewesen sei. N sei ferner Eigentümerin des im Grundbuch von Z1 Blatt 1193 eingetragenen Grundstücks in der Größe von 12.969 ha. gewesen, das Ackerland sei und stets von der Hofstelle bewirtschaftet worden sei, so dass es Hofbestandteil nach § 2a HöfeO gewesen sei. Am selben Tag, an dem die Erblasserin mit ihrem Ehemann den Ehe- und Erbvertrag geschlossen habe, aber zeitlich davor habe N mit der Erblasserin einen Erbvertrag geschlossen (Urkunde Nr. 89/1963 des Notars Dr. T in Z1), in dem die Erblasserin von ihrer Mutter zur alleinigen Hoferbin bestimmt worden sei; für den Fall des Vorversterbens der Tochter sei deren Ehemann zum Hofesvorerben bestimmt worden; Hofesnacherben sollten die eheliche Abkömmlinge der Erblasse...

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