Leitsatz (amtlich)

Bei der Frage, ob eine Parallelvollstreckung eines Fahrverbots zulässig ist, handelt es sich der Sache nach um eine Entscheidung über die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen. Für diese ist nicht der Tatrichter zuständig.

Eine Parallelvollstreckung mehrerer Fahrverbote ist auch in den sogenannten Mischfällen - ebenso wie bei der Vollstreckung zweier jeweils unter Billigung der 4-Monatsfrist verhängter Fahrverbote - bereits aufgrund des Wortlauts des § 25 Abs. 2a Satz 2 StPO unzulässig.

 

Verfahrensgang

AG Lübbecke (Entscheidung vom 16.03.2015)

AG Kassel (Aktenzeichen 388 OWi 9873 Js 22233/14)

 

Tenor

Die Sache wird gem. § 80a Abs. 3 OWiG dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Anordnung der Parallelvollstreckung des Fahrverbots mit dem in dem Verfahren des Amtsgerichts Kassel - 388 OWi 9873 Js 22233/14 - verhängten Fahrverbot entfällt.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Der Landrat des Kreises Minden hat unter dem 17. September 2014 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen erlassen. Darin wird diesem vorgeworfen, am 7. Juli 2014 in Espelkamp innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h überschritten zu haben. Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von 1 Monat unter Zubilligung einer Abgabefrist von 4 Monaten festgesetzt.

Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Verteidiger mit Telefax vom 24. September 2014 rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 10. September 2014 wurde gegen den Betroffenen wegen einer weiteren Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h eine Geldbuße i.H.v. 280,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung der 4-Monats-Frist verhängt. Der Beschluss des Amtsgerichts Kassel ist ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils seit dem 15. Januar 2014 (gemeint 15. Januar 2015) rechtskräftig.

Nach Abgabe der Sache an das Amtsgericht hat der Betroffene seinen Einspruch im vorliegenden Verfahren auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Amtsgericht Lübbecke hat die Beschränkung des Einspruchs für wirksam gehalten und den Betroffenen am 16. März 2015 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 200,00 € verurteilt und ihm - ohne Zubilligung der 4-Monatsfrist - für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge aller Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Gleichzeitig hat es die Parallelvollstreckung mit dem in dem Verfahren Amtsgericht Kassel, Az.: 388 OWi - 9873 Js 22233/14 verhängten Fahrverbot angeordnet.

Zur Begründung der Anordnung der Parallelvollstreckung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Hinsichtlich des Fahrverbots war die Parallelvollstreckung mit dem in dem Verfahren Amtsgericht Kassel, Az. 388 OWi-9873 Js 22233/14 verhängten Fahrverbot anzuordnen. Das Gericht folgt der Argumentation von Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch f.d. straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Auflage 2015, Rdnr. 16821686 m.w.N. Die Gegenansicht (vgl. a.a.O, Rdnr. 1688-1692) führt zu einem Wertungswiderspruch und überzeugt nicht."

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld Rechtsbeschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass die Anordnung der Parallelvollstreckung des Fahrverbots mit dem in dem Verfahren des Amtsgerichts Kassel - 388 OWi 9873 Js 22233/14 - verhängten Fahrverbot entfällt.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters des Senats).

III.

Die statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Denn bei einer unzulässig angeordneten Rechtsfolge unterliegt die Rechtsbeschwerde keinen Zulässigkeitsbeschränkungen (vgl. KK-OWiG/Senge, 4. Auflage, § 97, Rdnr. 36a; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Auflage, § 79, Rdnr. 18a). Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg, indem sie gemäß §§ 349 Abs.-4 StPO-79 Abs. 3-S 'I und Abs. 6 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem im Tenor genannten Umfang führt. Denn das Amtsgericht Lübbecke war zur Entscheidung über die Anordnung der Parallelvollstreckung (noch) nicht befugt.

1. Die Rechtsbeschwerde ist rechtswirksam auf den Ausspruch über die Parallelvollstreckung beschränkt worden, so dass es einer Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen nicht bedurfte. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Lübbecke zurückzuverweisen. Mit diesem Antrag steht die Rechtsbeschwerdebegründung jedoch nicht im Einklang. Aus den Beanstandungen er...

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