Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei gravierenden Konflikten der Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn zwischen den Eltern bloße Spannungen und Meinungsverschiedenheiten bestehen. Vielmehr sind Konflikte über wesentliche Bereiche der elterlichen Sorge erforderlich. Gravierende Meinungsverschiedenheiten über den Umgang, bei denen jegliche Kommunikation und Kooperation der Kindeseltern ausgeschlossen ist, können ausreichen.

2. Grundsätzliche Umgangskonflikte können nicht Gegenstand einer Entscheidungsübertragung nach § 1628 BGB sein.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1671 Abs. 2 Nr. 2, § 1696 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Beschluss vom 09.02.2006; Aktenzeichen 57 F 424/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bochum vom 9.2.2006 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden dem Antragsgegner auferlegt.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die elterliche Sorge (e. S.) betreffend den am 20.6.1995 geborenen Sohn Z (jetzt 11 Jahre).Die Parteien haben am 7.6.1995 geheiratet. Die Trennung erfolgte, als die Antragstellerin (nachfolgend ASt.) im September 1995 aus der ehelichen Wohnung mit dem Kind auszog. Mit Urteil des AG Bochum vom 28.11.1996 ist die Ehe der Parteien seit dem 7.1.1997 rechtskräftig geschieden und die e. S. für den gemeinsamen Sohn auf die ASt. übertragen worden.

Bis zur Ausreise des gebürtig aus Marokko stammenden Antragsgegners (nachfolgend AGg.) im Jahre 1998 hatten sich die Parteien wieder soweit versöhnt, dass regelmäßige Umgangskontakte stattfanden.

Im Jahre 2000 hat der AGg. dann ein Verfahren zur Änderung der e. S. eingeleitet (57 F 451/00 AG Bochum). Zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte er wieder nach Deutschland zu kommen. Da immer ein guter Kontakt zum Kind bestanden hat, hat die ASt. in dem genannten Verfahren einer gemeinsamen e. S. zugestimmt.Im Jahre 2005 kam es zu einem Verfahren hinsichtlich des Schulbesuchs von Z. Die ASt. hatte das Kind nämlich im November 2004 eigenmächtig von der Rudolf-Steiner-Schule (Waldorfschule) abgemeldet, weil sie sich nicht mehr in der Lage sah, die finanziellen Aufwendungen, an denen sich der AGg. nicht beteiligt hat, Unterhaltszahlungen erfolgten nicht, weiter zu tragen. Der AGg. verfolgte die Rückgängigmachung dieser Entscheidung.Das FamG hat in dem vorgenannten Verfahren der ASt. das Recht zur Entscheidung über die Schulwahl einschließlich des Rechts zur Abmeldung bei der Schule übertragen. Die hiergegen vom AGg. eingelegte Beschwerde ist zurückgenommen worden, nachdem der Senat Prozesskostenhilfe verweigert hatte.Nachfolgend traten immer mehr Probleme in der Kommunikation der Parteien auf. Die Umgangskontakte wurden über den Sohn und die neue Ehefrau des AGg. geregelt.

Anlass für das vorliegende Verfahren war dann ein Vorfall am 9.9.2005. An diesem Besuchswochenende hatte Z seine Fahrkarte vergessen, weshalb er mit dem AGg. nochmals zur Wohnung der ASt. ging. Der AGg. meinte dann, dass die Schuhe, die Z. trage, nicht passten und abgelaufen seien. Er hat diese Schuhe dann dem Kind abgenommen und es auf Strümpfen in die Wohnung der ASt. mit der Auflage geschickt, mit ordentlichen Schuhen zurückzukommen. Der weitere Verlauf ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig rief der AGg. aber die Polizei, die auch erschien. Nach Darstellung des Kindes war es so, dass die ASt. vom AGg. die Herausgabe der Schuhe verlangte, da er zuvor schon einmal ein Paar Schuhe weggeworfen hatte. Erst dann wollte sie das Kind zum Besuchswochenende gehen lassen.

Die ASt. hat behauptet, es komme zwischen ihr und dem AGg. immer zu Streitigkeiten um finanzielle Fragen, z.B. in welchem Umfange Kleidung zu bezahlen ist, und um die religiöse Ausbildung, da der AGg. dem Kind das Betreten einer christlichen Kirche unter der Drohung des Kontaktabbruchs verboten habe. Die Umgangskontakte könne sie nicht mit dem AGg. besprechen, sondern nur mit dem Kind oder der Ehefrau des AGg.

Die ASt. hat beantragt, wie erkannt.

Der AGg. hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat behauptet, er können mit der ASt. noch kommunizieren. Zudem ändere eine Änderung der e. S. nichts an den Kommunikationsschwierigkeiten.

Das FamG hat in dem angegriffenen Beschluss die e. S. auf die ASt. antragsgemäß übertragen und zur Begründung ausgeführt, die Parteien seien auch auf einer unteren Ebene nicht in der Lage, sich über die Belange des Kindes ohne Streit zu verständigen. Es bestehe auch keine Perspektive, dass sich das Verhältnis der Parteien bessere, wie das Verfahren hinsichtlich der Schule und die Streitereien beim Umgang zeigten. Bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe bei einer zukünftig erforderlichen Einigung der Parteien die Gefahr, da...

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