Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei fehlender Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn zwischen den Eltern bloße Spannungen und Meinungsverschiedenheiten bestehen. Vielmehr sind Konflikte in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge erforderlich. Die fehlende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern auf allen Ebenen im Hinblick auf das Kind reicht aus. Eine gemeinsame elterliche Sorge kommt bei Kindeseltern, die sich durchgängig und auch im Gerichtstermin wechselseitig der Lüge bezichtigen, nicht in Betracht.

2. Der Kindesmutter kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Kommunikation mit dem Kindesvater als Reaktion auf dessen gravierende Grenzüberschreitungen verweigert und abbricht.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Beschluss vom 27.03.2006; Aktenzeichen 58 F 177/05)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Bochum vom 27.3.2006 abgeändert.

Die elterliche Sorge für das Kind P, geboren am 25.6.2002, wird auf die Antragsgegnerin, die Kindesmutter, übertragen.

II. Der Antragsteller und Kindesvater hat das Recht zum persönlichen Umgang mit B T wie folgt:

  • im 14-tägigen Rhythmus von Freitagsnachmittags 14.00 Uhr bis Sonntagsabends 19.00 Uhr,
  • am zweiten Oster- und Pfingstfeiertag, wenn kein reguläres Besuchswochenende vorausgegangen ist,
  • vom 1. Weihnachtstag 16.00 Uhr bis 2. Weihnachtstag 19.00 Uhr,
  • in den vierwöchigen Kindergartenferien im Sommer in der letzten Kindergartenferienwoche und der darauffolgenden regulären Kindergartenbesuchswoche sowie die zweite Woche der Oster- und Herbstferien (Schulferienzeit).

III. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die elterliche Sorge und den Umgang mit dem am 25.6.2002 geborenen gemeinsamen Kind P (jetzt 4 Jahre).

Die Parteien haben sich im Mai 2000 im Rahmen eines Telefonchats kennen gelernt. Sie sind dann kurze Zeit später zusammengezogen und haben am 4.5.2002 geheiratet. Aus ihrer Ehe ist die am 25.6.2002 geborene Tochter P hervorgegangen. Der Antragsteller (nachfolgend ASt.) hat aus einer früheren Ehe noch seinen Sohn K, der 8 Jahre alt ist.

Der ASt. war im Zeitpunkt des Kennenlernens als Unternehmensberater tätig. Seit November 2001 war er zeitweise und ab Januar 2001 durchgängig arbeitslos. Nunmehr hat er sich selbständig gemacht und ist Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH.

Die Antragsgegnerin (nachfolgend AGg.) ist als Beamtin Teilzeit mit 30 Std. pro Woche tätig.

Am 29.4.2005 ist die AGg. mit dem Kind aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und bei ihren Eltern einzogen. Zwischenzeitlich hat sie eine eigene Wohnung bezogen, die fußläufig von der Wohnung der Eltern entfernt ist. Während ihrer Arbeitszeit betreuen ihre Eltern, die Großeltern von P, das Kind.

Nachdem Anfangs der Umgang des ASt. mit dem Kind von der AGg. nicht zugelassen worden ist, kam es dann zu regelmäßigen Umgangskontakten. In deren Verlauf hat der ASt. Fotos vom Intimbereich des Kindes gefertigt, um zu belegen, dass das Kind hygienisch nicht ausreichend versorgt sei. Ein solches Foto hat der ASt. dem Jugendamt der Stadt Z1 per Mail zugesandt.

Seit dem Sommer 2005 befindet sich B T im Kindergarten, wo sie von der AGg. allein und ohne Kenntnis des ASt. angemeldet worden ist. Nachdem dieser davon erfahren hatte, hat er der Leiterin des Kindergartens telefonisch massive Vorwürfe gemacht und mit rechtlichen Schritten gedroht.

Der ASt. hat behauptet, er sei die Hauptbezugsperson für das Kind. Die AGg. sei alkohol- und online-süchtig, da sie stundenlang chatten würde. Insbesondere "poste" die AGg. im Hexenforum und veröffentliche dort Texte. Zudem habe sie entgegen einer getroffenen Vereinbarung Beziehungen zu Männern aufgenommen.

Ferner seien auch die Großeltern mütterlicherseits alkoholabhängig.

Nach Eingang des vom FamG eingeholten SV-Gutachtens hat er die Auffassung vertreten, die AGg. leide am Borderline - Syndrom, was sich an einzelnen von den Sachverständigen wiedergegebenen Äußerungen zeige.

Der ASt. hat beantragt, die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, auf ihn zu übertragen und ihm jedenfalls ein Umgangsrecht von mittwochs 18.00 Uhr bis sonntags 12.00 Uhr zu gewähren.

Die AGg. hat beantragt, ihr die elterliche Sorge zu übertragen und Umgangskontakte im 14-tägigen Rhythmus festzulegen.

Sie hat ebenfalls behauptet, die Hauptbezugsperson für das Kind zu sein. Sie müsse arbeiten, um die hohen Schulden, die durch den ASt. verursacht worden seien, zu reduzieren, weshalb man ihr die zeitweise Betreuung des Kind...

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