Leitsatz (amtlich)

›Auf eine vorsätzlich begangene Trunkenheitsfahrt kann nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden.‹

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten in dem angefochtenen Urteil wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 EURO verurteilt. Gleichzeitig hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von noch sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte, gegen den bereits durch Strafbefehl des Amtsgerichts Meinerzhagen am 10. Dezember 1997 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt worden war, am 16. Oktober 2001 mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxxxxxx unter anderem die Oststraße in Meinerzhagen. Er beendete die Fahrt auf dem Parkplatz der dort gelegenen Polizeiwache, in die er sich begab, um eine Anzeige wegen nächtlicher Ruhestörung zu erstatten. Dem diensthabenden Beamten, dem Zeugen O., fiel Alkoholgeruch in der Atemluft des Angeklagten auf. Er konfrontierte ihn daraufhin mit dem Vorwurf des Fahrens unter Alkoholeinfluss und veranlasste eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration von 1, 51 % ergab.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 23. April 2002 zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Meinerzhagen - des dortigen Rechtspflegers - eingelegte Revision des Angeklagten, mit der dieser die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt worden ist.

II.

Die zulässige Revision führt auf die erhobene Sachrüge lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

1. Soweit der Angeklagte mit seiner Verfahrensrüge in der Form der Aufklärungsrüge geltend macht, das Amtsgericht habe die Vernehmung des Polizeibeamten C. sowie eines weiteren unbenannten Polizeibeamten als Zeugen unterlassen, genügt seine Rüge bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es werden weder Umstände angegeben, die den Tatrichter zum Gebrauch dieser Beweismittel gedrängt oder ihren Gebrauch zumindest nahe gelegt hätten (vgl. BGH NStZ 1999, 45, 46; BGHR StPO § 244 Abs. 2 - Zeugenvernehmung 4; BGHR StPO § 344 Abs. 2 S. 2 - Aufklärungsrüge 3, 6; BayObLG NStZ-RR 1996, 145; Gollwitzer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 244 Rn. 355; Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 244 Rn. 38) noch wird mitgeteilt, welche dem Angeklagten günstigen Tatsachen die unterlassenen Beweiserhebungen ergeben hätten (vgl. BGH bei Kusch NStZ-RR 1999, 38; NStZ 1997, 450 451; Gollwitzer; a. a. O.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 6. Aufl., Rn. 480).

2. Auch die allgemeine Sachrüge lässt durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.

Allerdings tragen die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB nicht.

Eine vorsätzliche Tatbegehung im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter seine Fahrunsicherheit kennt oder mit ihr zumindest rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt (OLG Hamm NZV 1998, 291; Blutalkohol 2001, 461 f. = VRS 102, 278, 280). Ob dieses Wissen von der Fahruntauglichkeit als innere Tatseite nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt ist, hat der Tatrichter unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs, dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat zu entscheiden.

Der Senat hat - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der anderen hiesigen Strafsenate und der einhelligen übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung - bereits wiederholt entschieden, dass vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 8. April 1998 in 2 Ss 344/98 = VRS 95, 255 = VM 1998, 68 Nr. 85 = MDR 1998, 1027 = zfs 1998, 313 = NZV 1998, 334 = ZAP EN-Nr. 361/98; vgl. auch aus jüngerer Zeit OLG Hamm Blutalkohol 2001, 461, 463 = VRS 102, 278 282; NZV 1998, 291; Blutalkohol 1998, 462 f.; zfs 1996, 233; zfs 1996, 234; OLG Zweibrücken zfs 2001, 334 f.; zfs 2000, 511; OLG Saarbrücken Blutalkohol 2001, 458 f.; OLG Köln DAR 1999, 98; VRS 94, 215 f. = DAR 1997, 499; OLG Karlsruhe NZV 1999, 301; OLG Naumburg zfs 1999, 401 f.; DAR 1999, 420; OLG Celle NZV 1998, 123 = VRS 94, 339 f. = Nds.RPfl. 1998, 34; zfs 1997, 152 f.; OLG Jena NZV 1997, 487 = DAR 1997, 324 f. = zfs 1997, 312; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 316 Rn. 9a). Daran hält der Senat fest. Es gibt nämlich (nach wie vor) keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst werde oder diese billigend in Kauf nehme (siehe au...

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