Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Unterlassung von bewusst falschen Prozessbehauptungen

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 02.01.2004; Aktenzeichen 18 O 603/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Antragsgegner wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zum Betrag von 250.000 Euro, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, verboten,

  • ggü. Kreditinstituten und/oder anderen Dritten die falsche Behauptung aufzustellen, der Antragsteller sei Schuldner des Antragsgegners, und
  • ggü. Dritten die falsche Behauptung aufzustellen, es bestünden Zahlungsverpflichtungen des Antragstellers (ggü. dem Antragsgegner aus einem Urteil vom 30.10.2003 des OLG Hamm.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für die Beschwerdeinstanz wird auf 16.388,48 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, durch die der Antragsteller dem Antragsgegner unter Strafandrohung jegliche falsche Behauptungen und Handlungen ggü. Dritten verbieten lassen wollte, "welche den Ruf und das Ansehen des Antragstellers gefährden oder geeignet sind, den Kredit des Antragstellers zu gefährden und sonstige Nachteile, insb. die Gefährdung der Kreditwidrigkeit des Antragstellers, herbeiführen können." Insbesondere wollte er das Verbot erwirken,

  • "ggü. Kreditinstituten und/oder anderen Dritten die falsche Behauptung aufzustellen, der Antragsteller wäre Schuldner des Antragsgegners, und
  • ggü. Dritten die falsche Behauptung aufzustellen, es bestünden Zahlungsverpflichtungen des Antragstellers ggü. dem Antragsgegner aus einem Urteil vom 30.10.2003 des OLG Hamm."

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, für den Antrag bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, denn Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren dienten, könnten regelmäßig nicht mit Ehrenschutzklagen und auch nicht mit Anträgen im Sinne des einstweiligen Rechtsschutzes abgewehrt werden; die Äußerungen, die der Antragsteller dem Antragsgegner verbieten lassen wolle, seien hier im Rahmen vorläufiger Zahlungsverbote erfolgt; dagegen stünden dem Antragsteller die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe offen, mit denen er geltend machen könne, dass die Voraussetzungen der Vorpfändung nicht vorlägen und insb. der Antragsgegner gegen ihn keine titulierte Forderung habe.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Richtig ist zwar die Ausgangserwägung des LG, dass gegen Behauptungen, die der Rechtsverfolgung in einem Verfahren dienen, Abwehransprüche regelmäßig nicht mit Erfolg erhoben werden können, weil auf den Ablauf eines gerichtlichen (oder behördlichen) Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen oder seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden darf, dass ein an diesem Verfahren in irgendeiner Weise Beteiligter durch Unterlassungs- oder Widerrufsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird (vgl. BGH v. 9.4.1987 - I ZR 44/85, MDR 1987, 999 = NJW 1987, 3138 = JuS 1989, 961 m. Anm. Wolf; v. 15.4.2002 - 6 U 215/01, OLGReport Hamm 2002, 355; v. 30.9.1991 - 6 U 134/91, OLGReport Hamm 1991, 4 = NJW 1992, 1329; NJW-RR 1990, 1405; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl. 2004, § 823 Rz. 104).

Dieser Grundsatz gilt aber nicht völlig schrankenlos. Ausnahmen müssen - allerdings in engen Grenzen - für einen Abwehranspruch ggü. einer bewusst falschen Behauptung jedenfalls dann zugelassen werden (offen gelassen insoweit in BGH v. 22.1.1998 - I ZR 177/95, MDR 1998, 791 = VersR 1998, 515 = NJW 1998, 1399), wenn in sittenwidriger Weise ein rechtlich geregeltes Verfahren als Deckmantel für eine beabsichtigte Ruf- oder Kreditschädigung des Gegners missbraucht wird, insb. also dann, wenn das Verfahren gerade mit dem Ziel eingeleitet wird, dass es die Plattform für diese sittenwidrige Schädigung bilden und ihr lediglich den Anschein eines rechtlichen Vorgehens verleihen soll.

So liegt der Fall hier angesichts des folgenden vom Antragsteller vorgetragenen und glaubhaft gemachten Sachverhalts:

Der Antragsgegner war als Rechtsanwalt im Rechtsstreit 2 K 3047/96 FG Köln Prozessbevollmächtigter einer Frau E., deren Lebensgefährte und Generalbevollmächtigter der Antragsteller ist. Sie unterlag in dem Finanzgerichtsprozess infolge von Pflichtverstößen des Antragsgegners und nahm diesen daraufhin in Regress. Durch Urteil des OLG Hamm (OLG Hamm, Urt. v. 3.10.2003 - 28 U 54/02) wurde er zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 156.312,67 Euro und zum Ersatz der vom Finanzamt festgesetzten Säumniszinsen verurteilt.

Sein Unterliegen in dem Schadensersatzprozess nahm der Antragsgegner zum Anlass, unter dem 19.12.2003 vorläufige Zahlungsverbote gem. § 845 ZPO auszubringen, in denen er selbst als Gläubiger eines Anspruchs i.H.v. 156.312,67 Euro aus dem Urteil des OLG Hamm vom 30.10.2003 bezeichnet wird; als Schuldner ist dort der Antragsteller aufgeführt. Diese Vorpfändungen wurden vers...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge