Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass dem Verteidiger nicht (ausreichend) Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes gewährt worden ist

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen am 11. Mai 2012 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 160,00 Euro verurteilt. Es hat ihm außerdem für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, wobei es ihm Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2a StVG gewährt hat. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene am 22. August 2011 um 23:53 Uhr als Führer eines Personenkraftwagens Audi auf der Bundesautobahn 2 bei Bielefeld die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 45 km/h (50 km/h abzüglich Toleranz) überschritten.

Der Betroffene rügt mit der Rechtsbeschwerde - Eingang beim Amtsgericht am 14. Mai 2012 - die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 6. August 2012 beantragt,

die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache sie jedoch keinen Erfolg.

1. Ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis liegt nicht vor, namentlich ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die dreimonatige Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG begann mit Beendigung der Tathandlung am 22. August 2011. Die Verjährung ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ,am 27. Oktober 2011 durch die Anordnung der Verwaltungsbehörde, den Betroffenen anzuhören, unterbrochen worden und begann damit gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 OWiG erneut zu laufen. Durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 29. Dezember 2011 - dem Betroffenen am 4. Januar 2012 und damit binnen zwei Wochen zugestellt - ist die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen worden.

Entgegen der Auffassung des Betroffenen war der Bußgeldbescheid auch wirksam, so dass er die Verjährung unterbrechen konnte. Der Betroffene meint, der Bußgeldbescheid sei deshalb nicht wirksam, weil er an einer gerichtet gewesen sei, er, der Betroffene, heiße aber lall". In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass Bußgeldbescheide nur bei besonders schwerwiegenden Mängeln unwirksam sind, nämlich insbesondere dann, wenn die Identität des Betroffenen nicht festgestellt werden kann. Bei einem geringfügigen Schreibfehler ist dies regelmäßig nicht der Fall (OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2005, Az. 2 Ss OWi 407/04, bei [...] = DAR 2005, 524 mit weiteren Nachweisen; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. August 1978, Az. 207/78, bei [...]). Ist - wie hier - lediglich ein Buchstabe des Zunamens falsch geschrieben, führt dies demnach nicht zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids. Denn anhand seines Geburtsdatums und seines seltenen Vornamens war der Betroffene eindeutig zu identifizieren. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die Anordnung der Anhörung, die an demselben Mangel leidet.

2. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Der Betroffene macht geltend, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluss des Gerichts unzulässig beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO).

a) Der Verfahrensrüge liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde: Bei der Anhörung des Betroffenen hatte die Stadt Bielefeld als Verwaltungsbehörde ein so bezeichnetes "Merkblatt für Rechtsanwälte" übersandt, in dem es u.a. hieß: "Der Übersendung von Kopien der Betriebsanleitung der Messanlage steht der urheberrechtliche Schutz dieser Aufzeichnungen entgegen."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Dezember 2011 erklärte der Betroffene, er sehe das Merkblatt als "antizipierte Ablehnung einer Übersendung" der Bedienungsanleitung in Kopie an und beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Amtsgericht Bielefeld wies den Antrag mit Beschluss vom 11. Januar 2012 zurück. In der Beschlussbegründung, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde mitgeteilt ist, führte es aus, der Verteidiger habe keinen Anspruch auf eine Übersendung einer Kopie. Es bleibe ihm aber unbenommen, die Bedienungsanleitung in den Räumen der Verwaltungsbehörde einzusehen.

In der Hauptverhandlung vom 10. Mai 2012 beantragte der Betroffene die Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß §§ 145 Abs. 3, 265 Abs. 4 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Akteneinsicht sei unzureichend gewesen, weil die Bedienungsanleitung nicht übersandt worden sei. Das Amtsgericht verwarf den Antrag als unzulässig, da ihm die Rechtskraft des Beschlusses vom 11. Januar 2012 entgegenstehe.

b) Die Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, da sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügt. Danach ist eine Verfahrensrüge nur dann in z...

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