Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlungspflicht des Standesbeamten und der Tatsacheninstanzen im Verfahren nach § 45 Abs. 1 PStG

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Ermittlungspflicht des Standesbeamten und der Tatsacheninstanzen im Verfahren nach § 45 Abs. 1 PStG, wenn bei der Beurkundung der Geburt der Familienname eines Kindes libanesisch/jordanischer Eltern dem Ehenamen der im Ausland (Dänemark) geschlossenen Ehe folgen soll, die Identität der Mutter mangels gültiger Personalpapiere jedoch nicht abschließend festgestellt werden kann.

 

Normenkette

PStG §§ 20-21; PStVO § 25 Abs. 1; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Beschluss vom 19.12.2005; Aktenzeichen 3 T 704/04)

AG Hagen (Aktenzeichen 8 III 26/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Am 8.2.2003 wurde im Evangelischen Krankenhaus B2 in J das eingangs genannte Kind der Beteiligten zu 1) geboren. Die zu 1) beteiligte Kindesmutter ist nach den Angaben in der Geburtsanzeige ihres Kindes staatenlos. Sie war mit ihrer Familie im Jahr 1986 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Einreise erfolgte nach Auffassung der Ausländerbehörde und des Standesbeamten unter einem anderen Namen mit gefälschten Passierscheinen. Die persönlichen Daten der Kindesmutter wurden aufgrund einer eidesstattlichen Versicherung ihrer Eltern später geändert. In einem von der Stadt Z1 ausgestellten Reisedokument ist der Name der Beteiligten zu 1) mit "Z.S5" wiedergegeben.

Der Beteiligte zu 2) ist jordanischer Staatsangehöriger und arbeitet als Arzt in einem Krankenhaus. Er hat die Beteiligte zu 1) nach einer Heiratsurkunde der Stadt Z2 (Dänemark) am 25.3.2002 geheiratet; nach dieser Urkunde sollte der Familienname nach der Eheschließung "K1" sein.

Unter Vorlage der Geburtsanzeige des Leiters des Krankenhauses B2 vom 11.2.2003 beantragten die Beteiligten zu 1) und 2)) bei dem Standesamt I in J die Ausstellung einer Geburtsurkunde für ihr am 8.2.2003 geborenes Kind. Zum Nachweis ihrer Angaben legten sie einen jordanischen Reisepass des Beteiligten zu 2) sowie das vorgenannte Reisedokument für die Beteiligte zu 1) und die dänische Heiratsurkunde vom 25.3.2002 vor. Der Standesbeamte hatte Zweifel an der Identität der Beteiligten zu 1) und deren Angabe zur Nationalität, staatenlos zu sein, und sah sich deshalb auch außerstande, die Wirksamkeit der in Dänemark geschlossenen Ehe zu überprüfen. Er forderte die Beteiligten zu 1) und 2)) deshalb auf, urkundliche Nachweise vorzulegen. Diese überreichten daraufhin über ihre Verfahrensbevollmächtigten zunächst eine am 22.12.1998 beglaubigte Übersetzung einer Geburtsurkunde der Beteiligten zu 1), ausgestellt vom Innenministerium der Republik Libanon. Wegen Zweifeln des Standesbeamten an der Echtheit dieser Geburtsurkunde beschafften sie eine neue Geburtsurkunde der Kindesmutter, die am 24.7.2003 durch das libanesische Außenministerium legalisiert worden ist. Diese Geburtsurkunde weicht inhaltlich von der früher vorgelegten Geburtsurkunde ab. So ist in der Urkunde vom 22.12.1998 ein SAY als "Anmeldender" und ZS5 als Vater aufgeführt, während in der anderen Urkunde vom 24.7.2002 als Vater und als "Anmeldender" jeweils der Name ZS5 angegeben ist. In beiden Urkunden sind unterschiedliche Zeugen und unterschiedliche Eingangsregister- und Durchführungsnummern angegeben. Das Standesamt legte beide Urkunden zur inhaltlichen Überprüfung der Deutschen Botschaft in Beirut vor. Nachdem diese mit Schreiben vom 3.12.2003 mitgeteilt hatte, dass es sich bei beiden Geburtsurkunden um Fälschungen handele, forderte der Standesbeamte die Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 18.12.2003 zur Vorlage einer echten, inhaltlich richtigen Urkunde auf.

Unter dem 8.12.2003 hat das Kind, vertreten durch die Beteiligten zu 1) und 2)), Untätigkeitsklage gegen die Stadt J vor dem VG Arnsberg erhoben mit dem Ziel, die Stadt J zu verpflichten, eine Geburtsurkunde für ihr gemeinsames Kind auszustellen. Mit Beschluss vom 3.2.2004 hat das VG Arnsberg die Angelegenheit an das AG Hagen verwiesen.

Mit Verfügung vom 16.4.2004 hat das AG darauf hingewiesen, dass die Ausstellung einer von der Kindesmutter beantragten Geburtsurkunde für das Kind nicht verweigert werden dürfe. Die Kindesmutter sei im Geburtseintrag des Kindes mit dem Vornamen "Z", dem Familiennamen "S5" und dem Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" einzutragen, weil mangels Vorlage eines Passes nicht festgestellt werden könne, dass die in der dänischen Heiratsurkunde eingetragene Frau mit der Kindesmutter identisch ist. Eine wirksame Eheschließung sei damit nicht nachgewiesen. Das Kind sei mit dem Vornamen "D" und dem Familiennamen "S5" zu beurkunden. Der Kindesvater sei in den Geburtseintrag nicht aufzunehmen, da ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis nicht vorliege.

Unter dem 29.6.2...

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