Leitsatz (amtlich)

Betreibt ein Elternteil aus einem von ihm aufgrund der Verfahrensstandschaft erstrittenen Titel auf Zahlung von Kindesunterhalt auch nach Erreichen der Volljährigkeit des Kindes weiterhin die Zwangsvollstreckung gegen den anderen Elternteil, so kann letzterer hiergegen mit der Vollstreckungsabwehrklage vorgehen.

 

Normenkette

ZPO § 767

 

Verfahrensgang

AG Warburg (Beschluss vom 24.04.2015; Aktenzeichen 12 F 39/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 06.05.2015 werden der die Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des AG - Familiengericht - Warburg vom 24.04.2015 sowie der Nichtabhilfebeschluss des Familiengerichts vom 26.05.2015 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das genannte Familiengericht zurückverwiesen. Dabei ist dem Familiengericht verwehrt, den Antrag des Antragstellers mit der Begründung zurückzuweisen, seine Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Gebühren für das Beschwerdeverfahren werden auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Aus der Ehe ist der am ... 1995 geborene Sohn M hervorgegangen. Mit Vergleich vom 29.04.2011 verpflichtete sich der Antragsteller, an die Antragsgegnerin für den gemeinsamen Sohn M einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 334 EUR zu zahlen (Aktenzeichen: AG Warburg, 12 F 134/10). Mit Schreiben vom 05.01.2015 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin vergeblich auf, wegen des Eintritts der Volljährigkeit des gemeinsamen Sohnes auf weitere Zwangsvollstreckungen aus dem genannten Vergleich zu verzichten.

Der Antragsteller hat im Wege des Vollstreckungsgegenantrags u.a. begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Vergleich für unzulässig zu erklären. Er hat ferner die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt.

Mit am 24.04.2015 erlassenen Beschluss hat das AG - Familiengericht - Warburg den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Vollstreckungsgegenantrag nicht zulässig sei und der Antragsteller allenfalls die Abänderung des Vergleichs verlangen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss und das diesem Beschluss zugrunde liegende Verfahren Bezug genommen.

Gegen den genannten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 06.05.2015, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller ist weiterhin der Ansicht, dass die Antragsgegnerin mit der Volljährigkeit des gemeinsamen Sohnes nicht mehr berechtigt sei, aus dem Vergleich zu vollstrecken. Aufgrund seines Vollstreckungsgegenantrages müsse die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt werden.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat vorläufigen Erfolg. Dem Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, dass seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe (vgl. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 ZPO). Denn entgegen der Ansicht des Familiengerichts ist der Vollstreckungsgegenantrag des Antragstellers statthaft und im Übrigen zulässig; er hat auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese Feststellung des Senats ist für das Familiengericht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO bindend (vgl. Heßler, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage 2014, § 572 ZPO Rn 29 m.w.N.):

Aus einem von ihm auf Grund der Verfahrensstandschaft erstrittenen Unterhaltstitel kann der Elternteil die Zwangsvollstreckung bis zu einer Titelumschreibung auf das Kind (entsprechend § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 727 ZPO) betreiben. Die Vollstreckungsbefugnis des durch den Titel legitimierten Elternteils bleibt auch dann erhalten, wenn die Verfahrensstandschaft lediglich durch Rechtskraft der Scheidung endet, weil die Vertretungsberechtigung des Elternteils fortbesteht und sich für den Titelschuldner durch diese Entwicklung in tatsächlicher Hinsicht nichts ändert. Sind die Voraussetzungen der Verfahrensstandschaft allerdings mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes oder aufgrund von Veränderungen in den Obhutsverhältnissen (§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB) entfallen, kann der Titelschuldner dies mit einem Vollstreckungsabwehrantrag (§ 767 ZPO) gegenüber dem weiter die Zwangsvollstreckung betreibenden Elternteil einwenden. Keinen Unterschied macht es hierbei, ob der nicht mehr legitimierte Elternteil wegen eines laufenden Unterhalts oder auch noch wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes die Zwangsvollstreckung betreibt, da maßgebend für den Erfolg des Vollstreckungsabwehrantrags allein auf den Wegfall der Vollstreckungsbefugnis abzustellen ist (vgl. Schmitz, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 10 Rn 52 m.w.N.). Unzweifelhaft ist der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes verbunden mit dem Wegfall der Vol...

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