Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmittel. Ungebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Wiederholte Ungebühr im Rahmen einer Hauptverhandlung darf jeweils einzeln geahndet werden.

 

Normenkette

GVG § 178

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 22 Ks 12/19)

 

Tenor

Die Beschwerden werden auf Kosten des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass für den Fall, dass die Ordnungsgelder von 500,00 Euro und 600,00 Euro nicht beigetrieben werden können, jeweils ersatzweise für 100,00 Euro ein Tag Ordnungshaft verhängt wird.

 

Gründe

I.

Im vorliegenden Strafverfahren begann am 17.01.2020 vor der II. großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Essen gegen den Angeklagten sowie weitere drei Mitangeklagte eine Hauptverhandlung wegen Totschlags sowie anderer Straftaten.

Am 16. Hauptverhandlungstag hat das Schwurgericht mit den angefochtenen Beschlüssen vom 30.01.2020 gegen den Angeklagten V drei Ordnungsmittel wegen Ungebühr gemäß § 178 Abs. 1 GVG verhängt. Dabei handelte es sich um zwei Ordnungsgelder, in einem Fall 500,00 Euro, und im anderen Fall 600,00 Euro sowie einen Tag Ordnungshaft. Für den Fall, dass die Ordnungsgelder nicht beigetrieben werden können, ordnete das Schwurgericht ersatzweise für je 50,00 Euro einen Tag Ordnungshaft an.

Gegen diese Ordnungsbeschlüsse richtet sich die unbegründet gebliebene Beschwerde des Angeklagten vom 05.02.2020.

Der Verhängung der Ordnungsmittel war Folgendes vorausgegangen: Nach dem Aufruf der Sache am 30.01.2020 um 09:09 Uhr wurde der Zeuge T vernommen. Zu Beginn der Vernehmung des Zeugen zur Sache stellte der Vorsitzende diesem die Frage, ob der Zeuge einen der anwesenden Angeklagten kenne. Daraufhin stand der Angeklagte V auf und schrie teils unverständliche Worte und "Hurensohn" in den Raum. Dabei gestikulierte er in Richtung des Zeugen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte, er habe "Hurensohn" gesagt, weil der Zeuge ein "Hurensohn" sei.

Der Vorsitzende teilte daraufhin mit, dass die Kammer erwäge, wegen dieses ungebührlichen Verhaltens gegen den Angeklagten Ordnungsmittel gemäß § 178 GVG zu erlassen. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte daraufhin für diesen, dass dem Angeklagten seine Äußerung leid tue.

Daraufhin wurde die Vernehmung des Zeugen zur Sache fortgesetzt. Noch während dieser Vernehmung, vor der Unterbrechung der Sitzung zum Zwecke einer Mittagspause um 11:01 Uhr sagte der Angeklagte V zu dem Zeugen: "Halt die Fresse Alter!". Er wurde daraufhin durch den Vorsitzenden erneut darauf hingewiesen, dass sein Verhalten möglicherweise die Verhängung eines Ordnungsmittels nach sich ziehen werde, weil es eine Ungebühr darstelle.

Nach dem Wiederaufruf der Sache um 12:47 Uhr wurde die Vernehmung des Zeugen T fortgesetzt. Während dessen weiterer Befragung, gegen 14:30 Uhr, klatschte der Angeklagte V. Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärte er: "Das ist wie im Film hier, der kommt hier hin wie ein Schauspieler". Daraufhin wies der Vorsitzende den Angeklagten ein drittes Mal auf die mögliche Verhängung eines Ordnungsmittels wegen ungebührlichen Verhaltens hin.

Um 15:10 Uhr wurde der Zeuge schließlich entlassen. Danach erklärte der Verteidiger des Angeklagten für diesen, dass ihm seine Äußerungen leid täten. Er beantragte, von der Verhängung eines Ordnungsmittels abzusehen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden bestätigt auch der Angeklagte selbst, dass ihm sein Verhalten leid tue.

Die Sitzung wurde sodann um 15:22 Uhr unterbrochen und um 15:55 Uhr fortgesetzt. Sodann wurden drei den Angeklagten betreffende Ordnungsmittelbeschlüsse verkündet. Wegen seines Verhaltens bis zur ersten Ermahnung durch den Vorsitzenden einschließlich seines Ausrufs "Hurensohn" wurde dem Angeklagten ein Ordnungsgeld i.H.v. 500,00 Euro, ersatzweise für je 50,00 Euro ein Tag Ordnungshaft auferlegt. Für seinen Zwischenruf "Halt die Fresse, Alter!" erhielt er ein Ordnungsgeld i.H.v. 600,00 Euro, ersatzweise wiederum für je 50,00 Euro einen Tag Ordnungshaft und für sein Klatschen und die nachfolgende Äußerung einen Tag Ordnungshaft.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 09.06.2020 beantragt, die Beschwerden des Angeklagten gegen die Beschlüsse des Landgerichts Essen vom 30.01.2020 als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gem. § 181 Abs. 1 GVG fristgerecht eingelegten Beschwerden des Angeklagten haben in der Sache lediglich hinsichtlich des Anrechnungsmaßstabes Erfolg, den das Landgericht bezüglich seiner Anordnung ersatzweiser Ordnungshaft gemäß § 178 Abs. 1 S. 2 GVG gewählt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.06.2020 folgendes ausgeführt:

"Die gem. § 181 Abs. 3 GVG statthaften sofortigen Beschwerden gegen die drei vorbezeichneten Ordnungsmittelbeschlüsse des Landgerichts Essen sind in zulässiger Weise, insbesondere innerhalb der Wochenfrist nach § 181 Abs. 1 GVG eingelegt worden.

Soweit gegen den Angeklagten ein Tag Ordnungshaft angeordnet worden ist, wäre die diesen Beschluss betreffende sofortige Beschwerde auch für den Fall, dass die Ordnungshaft zwischenzeitlich vollst...

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