Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Rüge der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in der Beschwerdeinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit deutscher Gericht kann - anders als die Rüge der örtlichen Zuständigkeit gem. § 65 Abs. 4 FamFG - auch noch in der Beschwerdeinstanz erhoben werden.

2. Maßgebend für den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes gem. Art. 8 Brüssel IIa-VO ist der Ort, wo sich der Schwerpunkt seiner familiären Beziehungen befindet. Wird das Kind von seiner Mutter betreut, kommt es naturgemäß auf deren Aufenthalt an. Weder die berufliche Tätigkeit der Mutter im Ausland noch der dortige Besuch des Kindergartens oder einer Vorschule durch das betroffene Kind sind geeignet, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland zu begründen.

3. In Ausnahmefällen ist die persönliche Anhörung der Mutter und des betroffenen Kindes gem. §§ 159, 160 FamFG entbehrlich.

 

Normenkette

FamFG § 65 Abs. 4, §§ 159-160; Brüssel IIa-VO Art. 8; KSÜ Art. 15 Abs. 1; BGB § 1684

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 06.04.2010; Aktenzeichen 4 F 73/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 06.4.2010 verkün-deten Beschl. des AG - Familiengericht - Essen wird zurück-gewiesen.

Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin und der Antragsteller, die nicht verheiratet sind oder waren, sind die getrennt lebenden Eltern des am 25.4.2004 geborenen Kindes B K N. Der Kindesvater lebt in G und ist Mitarbeiter der E C. Er hat die Vaterschaft für das betroffene Kind anerkannt. Die Kindesmutter ist ungarische Staatsangehörige und hat in der Bundesrepublik Deutschland studiert. Sie arbeitet bei der F L in M. Das betroffene Kind hat neben der ungarischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt im Haushalt der Kindesmutter. Es besucht die Vorschule in M.

Die Beteiligten einigten sich mit Hilfe des Jugendamts der Stadt F im Mai 2006 auf eine Umgangsregelung, nach der monatliche begleitete Umgangskontakte in den Räumen des Jugendamts stattfinden sollten. Die Antragsgegnerin hielt diese Regelung nicht ein, gewährte dem Antragsteller aber in unregelmäßigen Abständen Umgang mit dem Kind. Im Jahr 2009 fanden insgesamt 9 Umgangstermine in Anwesenheit der Kindesmutter in F statt. Im Jahr 2010 führten die Kindeseltern insgesamt 10 Umgangstermine in U durch. Im Jahr 2011 fand bisher ein Umgangskontakt im Januar statt.

Der Antragsteller begehrt mit seinem am 25.2.2010 beim AG Essen anhängig gemachten Antrag, das Kind an jedem zweiten Samstag im Monat von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr zu sich nehmen zu dürfen. Er hat vorgetragen, die ständige Anwesenheit der Kindesmutter bei den Umgangskontakten sei nicht erforderlich.

In dem v. AG bestimmten Anhörungstermin am 16.3.2010 ist die Antragsgegnerin nicht erschienen. Das AG hat sodann im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang mit dem Kind vorläufig antragsgemäß geregelt. Durch Email v. 08./09.04.2010 teilte die Antragsgegnerin dem AG mit, dass sie seit dem 1.3.2010 ihre Hauptadresse in U habe. In einer an den Antragsteller gerichteten Email v. 10.4.2010 teilte die Antragsgegnerin mit, das AG U sei deshalb für sie zuständig. Ein Umgang im zweiwöchigen Rhythmus widerspreche aber dem Kindeswohl; das Kind wolle keine unbegleiteten Kontakte.

Durch den angefochtenen Beschl. hat das AG den Umgang dahingehend geregelt, dass der Antragsteller berechtigt ist, das Kind jeden zweiten Samstag im Monat von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr zu sich zu nehmen. Zur Begr. hat es ausgeführt, das Kind habe seinen Vater in der Vergangenheit nur unregelmäßig gesehen. Der Ausbau von Kontakten sei jedoch auch nach Ansicht des Jugendamts zu fördern. Anhaltspunkte, die gegen ein Umgangsrecht sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.

Per Fax v. 13.4.2010 wies die Antragsgegnerin erneut auf ihre Adressänderung hin. Ferner teilte sie mit, seit dem 28.2.2010 nicht mehr in F gewesen zu sein, da ihre deutsche "Hauptadresse" in U sei.

Gegen den Beschl. des AG Essen v. 6.4.2010 hat die Antragsgegnerin durch ihre zunächst bestellten Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt und zunächst die örtliche Zuständigkeit des AG Essen gerügt. Mit Schriftsatz v. 19.5.2010 wurde mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin und ihre Tochter seit dem 1.3.2010 in U lebten. Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt in M habe und deutsche Gerichte daher international nicht zuständig seien. Die Antragsgegnerin hat weiterhin vorgetragen, das Kind sei nicht bereit, lange Zeit alleine mit dem Antragsteller zu verbringen. Es sei der Wunsch des Kindes, dass die Antragsgegnerin anwesend sei. Es gebe keinen Anlass für das Verfahren, da der Antragsteller die Tochter regelmäßig gesehen habe. Probleme bei den Terminabsprachen habe der Antragsteller selbst verursacht. Im Übrigen sei der Antragsteller gewalttätig. Es sei beim AG I ein Verfahren wegen Körperverletzung gegen ihn gefüh...

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