Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 324 O 352/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.6.2017, Az. 324 O 352/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Berufungskläger und Beklagten (im Folgenden: Beklagten) wenden sich gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der erneuten Veröffentlichung und/oder der erneuten Verbreitung des Filmmaterials, welches mit einer versteckten Kamera in den Räumlichkeiten der von der Berufungsbeklagten und Klägerin (im Folgenden: Klägerin) betriebenen Klinik aufgenommen wurde, wie in der Sendung "Team Wallraff - Reporter Undercover", Folge "katastrophale Missstände in deutschen Krankenhäusern" vom 11.01.2016 geschehen, und zur Zahlung von diesbezüglich entstandenen vorgerichtlichen Abmahnkosten.

Für den Sachverhalt wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S.1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend sei hinzugefügt, dass der Helios Konzern, nachdem er 49,9 % der Anteile an der Horst Schmidt Kliniken GmbH übernommen hatte, einen Stellenabbau von 391 Vollzeitstellen, davon 53 im ärztlichen Bereich, angekündigt und jedenfalls in Teilen auch umgesetzt hat. Auf einer Betriebsversammlung am 06.05.2015 wurde das Thema des Stellenabbaus und der Überstunden erörtert. Für die Einzelheiten wird auf die als Anlage Bk 6 eingereichten Unterlagen Bezug genommen. Auch die Mitarbeiter der Klägerin beschweren sich gegenüber der als Pflegepraktikantin tätigen Redakteurin der Beklagten zu 2) in dem Beitrag über Personalmangel und die damit einhergehenden Belastungen. Dass es im Betrieb der Klägerin Überstunden und Überlastungsanzeigen gegeben hat, ist unstreitig - streitig ist indes die Anzahl der geplanten Überstunden. Zum Thema Reinigung und Hygiene teilte die Klägerin in Reaktion auf den verfahrensgegenständlichen Beitrag am Tag nach der Erstausstrahlung des inkriminierten Beitrags mit, dass sich die Klinik im Zeitpunkt der RTL Recherche gerade mitten im Integrationsprozess nach der Übernahme durch HELIOS befunden habe und dass es im Bereich Reinigung klaren Nachholbedarf gegeben habe. Das Reinigungssystem sei komplett umgestellt worden, diese Umstellung sei noch nicht vollumfänglich und gut gelungen. Insoweit wird auf die als Anlage Bk 13 zur Akte gereichte "Stellungnahme zur RTL Berichterstattung vom 11.01.2016" Bezug genommen. Das Wiesbadener Gesundheitsamt kontrollierte die HSK Klinik 2015 insgesamt acht Mai, der Leiter des Amts sagte gegenüber der Presse, dass sich die Hygiene-Mängel durchs ganze Haus zögen und vor allem auf Personalmangel zurückzuführen seien (vgl. Anlage Bk 23, dort Seite 2 Zwischenüberschrift "Gesundheitsamt nicht überrascht"). Nach Übernahme durch den HELIOS Konzern würden zwei Erwachsenen-Intensivstationen zu einer zusammengelegt, was zu einer Reduktion der vorhandenen Betten führte. Zum Thema minderwertiges Material in Bezug auf die von der Klägerin verwandten Handschuhe erklärte der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber der Presse, dass sich dies mit einer "fehlerhaften Charge" erklären lasse (vgl. Anlage Bk 14, dort Seite 2, 2. Absatz). Die Berichterstattung der Beklagten hat viele Reaktionen, u.a. der Stadt Wiesbaden als Mehrheitseigner hervorgerufen. Für die Einzelheiten der Reaktion der Stadt Wiesbaden wird auf die als Anlage Bk 12 zur Akte gereichte Pressemitteilung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Anfertigung und Verbreitung des streitgegenständlichen Filmmaterials in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin eingreife und dieses verletze. Aus der vorzunehmenden Abwägung mit der Meinungs- und Rundfunkfreiheit der Beklagten folge, dass das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin überwiege. Zugunsten der Klägerin streite, dass das Bildmaterial unter Verletzung des Hausrechts der Klägerin, mithin rechtswidrig beschafft worden sei. Die Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin wiege vergleichsweise schwer. Es würden bisweilen Verhältnisse im Betrieb der Klägerin öffentlich angeprangert, obwohl sie keinen Einzelfall darstellten. Das Filmmaterial entstamme in großen Teilen Bereichen der Klinik, deren Zugang nur für einen abgegrenzten Personenkreis vorgesehen sei, so Aufenthaltsräume, Schockräume, Patientenzimmer. Die Klägerin könne sich zwar nicht selbst auf die jeweiligen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Patienten berufen, diesen zugrunde liegenden Umstände seien im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung dennoch zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, da sie den Eingriff in ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht erschwerten. Die Eingriffe in die genannten Rechtsgüter Dritter seien dem öffentlichen Ansehen der Klägerin insbesondere aus der Sicht bisheriger sowie...

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