Leitsatz (amtlich)

Anwaltskosten eines zu Unrecht Abgemahnten sind aus § 823 Abs. 1 BGB nur in Sonderfällen (insbesondere bei Schutzrechtsverwarnungen) zu ersetzen. Das gilt auch für § 1 UWG (unlautere Behinderung). Insoweit hat der zu Unrecht Abgemahnte zwar grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den Abmahnenden aus § 678 BGB, wenn erkennbar war, dass die Abmahnung nicht dem Willen des Betroffenen entsprach. Es können aber dieselben Gründe wie bei § 823 BGB auch dem Anspruch aus § 678 BGB entgegenstehen. So liegt ein Übernahmeverschulden nicht vor, wenn es vertretbar war, wegen der fraglichen Beanstandung einen Prozess zu führen. Das Übernahmeverschulden besteht nicht schon deswegen, weil der Abmahnende Zweifel an der berechtigten Abmahnung hatte.

 

Normenkette

BGB §§ 678, 823; UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 142/98)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 27.1.1999 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger – die Kläger zu 2) und zu 3) sind Geschäftsführer der Klägerin zu 1) – machen mit der vorliegenden Zahlungsklage gegen die Beklagten den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten als Reaktion auf eine nach Auffassung der Kläger unberechtigte Abmahnung seitens der Beklagten geltend. Die Beklagten sind Kaufleute. Sie waren Lizenznehmer mehrerer Patente und Gebrauchsmuster des Erfinders Q., hierbei ging es um eine Vorrichtung zur Schaffung einer künstlichen Atmosphäre in einem Transportbehälter. Anfang 1997 beauftragte die von den Beklagten zur Auswertung der Patente und Gebrauchsmuster gegründete Firma H.-GmbH (kurz: H.), deren Gesellschafter die Beklagten sind, die Klägerin zu 1) mit dem Bau dreier Prototypen zur Erzeugung kontrollierter Atmosphäre (= CA) für Straßenfahrzeuge.

Die Parteien planten, nach Fertigstellung der Prototypen einen Produktions- und Liefervertrag zur serienmäßigen Herstellung von CA-Aggregaten zu schließen. Die entsprechenden Verhandlungen kamen aber über das Stadium von Vertragsentwürfen nicht hinaus, die Parteien legten jeweils Entwürfe mit unterschiedlichen Modalitäten vor, beide Entwürfe sahen übereinstimmende Geheimhaltungsverpflichtungen vor (Anlagen K 6–7 und K BfK 1 der Beiakte OLG Hamburg 3 U 47/99).

Nach der Lieferung der Prototypen bekundete die Klägerin zu 1) im Schreiben vom 28.8.1997 an den Beklagten zu 1) in Firma H. weiteres Interesse an der Produktion von CA-Aggregaten, vor dem Hintergrund der geführten Preisverhandlungen heißt es u.a.:

„dass wir der Meinung sind, dass die technische Konzeption der Anlage unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten weiter optimiert werden kann, was ebenfalls zu entsprechenden Kostenreduzierungen führen würde. Wir haben daher ein Ingenieurbüro damit beauftragt, diese Optimierungen durch zuführen” (Anlage K 10 der Beiakte OLG Hamburg 3 U 47/99).

Die Beklagten vermuteten hierbei die Weitergabe vertraulicher Unterlagen und mahnten sowohl die Kläger als auch Dr. Ing. W., den Leiter des im Schreiben erwähnten Ingenieurbüros, einen Spezialisten auf dem Gebiet der kontrollierten Atmosphäre, u.a. wegen Geheimnisverrats ab (vgl. das Anwaltsschreiben und die Kostennote vom 3.9.1997 an den Kläger zu 2) gemäß Anlagen B BfB 3 und K 1.3).

Unstreitig wurden alle drei Kläger abgemahnt (vgl. Anlagen K 1.1–1.2 = Bl. 5–8), in den Kostennoten wurde für die Abmahnung jeweils ein Wert von 5 Mio. DM, eine Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO und Pauschalen nach § 26 BRAGO angesetzt, und zwar jeweils 7,5/10 Geschäftsgebühr für den Rechtsanwalt und für den Patentanwalt, insgesamt nebst Mehrwertsteuer 40.961,86 DM: vgl. die Kostennote Anlage K 1.3 = Bl. 9–10).

Die Kläger berechnen für die vorliegende Zahlungsklage ihre Rechtsverfolgungskosten entsprechend der Kostennote der Gegenseite (Anlage K 1.3: gleicher Wert, Anwalts- und Patentanwaltsgebühren, Erhöhungsgebühr). Auf die Übersendung des Entwurfs eines gegen den Kläger zu 2) gerichteten Verfügungsantrages gemäß Schriftsatz vom 30.9.1997 (Anlage K 1.4 = Bl. 11–19) ließ der Kläger zu 2) unter dem 2.10.1997 sowohl eine anwaltliche als auch eine patentanwaltliche Schutzschrift beim LG Hamburg einreichen (Anlagen K 1.5–1.6 = Bl. 20–24).

Unstreitig haben die Kläger dem Dr. W. Unterlagen über die Fertigung der Prototypen überlassen. Streitig zwischen den Parteien ist die Bewertung der Vertraulichkeit und des Informationsgehaltes. Im Laufe der ersten Instanz hat die Staatsanwaltschaft Kiel gegen die Kläger zu 2) und zu 3) Anklage wegen Vorlagenfreibeuterei (§ 18 UWG) erhoben. In dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums (LG Hamburg 315 O 58/98 = OLG Hamburg 3 U 47/99) haben die Beklagten Feststellungsklage betreffend die Schadensersatzpflicht der Kläger wegen der Weitergabe tec...

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