Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreten einer verkehrsberuhigten Fläche von Grundstücksausfahrt aus

 

Normenkette

StVO §§ 1, 42 Abs. 4a

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 306 O 225/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 6, vom 16.11.2004 - Gesch. Nr. 306 O 225/04 - wie folgt geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.322,86 EUR nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz ab 5.5.2004 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die vorliegende Entscheidung ergeht auf Grund des Senatsbeschlusses vom 13.1.2005 gem. § 526 Abs. 1 ZPO durch den Einzelrichter.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Kurze Begründung für die teilweise Abänderung der angefochtenen Entscheidung gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO.

Die Berufung ist zulässig und zum Teil auch begründet, im Übrigen dagegen unbegründet:

Die Klägerin kann aus übergegangenem (§ 116 SGB X) Recht der Zeugin H. (§ 823 Abs. 1 BGB) von dem Beklagten Zahlung von 6.322,86 EUR verlangen. Dieser Betrag macht 1/3 desjenigen Betrages aus, den die Klägerin als gesetzlicher Krankenversicherungsträger an Unkosten für die Zeugin H. aus Anlass des Unfalles vom 15.5.2001 i.H.v. insgesamt 18.968,57 EUR (vgl. Anl. K 11) gezahlt hat.

Dass die Klägerin den genannten Betrag geleistet hat, sieht das Gericht als unstreitig an, nachdem die Klägerin ihre Leistungen im Einzelnen minuziös aufgelistet (Anl. K 11) und auch belegt hat (Anl. K 3-K 10). Demgegenüber ist das lediglich in einem Satz pauschal erfolgte Bestreiten seitens des Beklagten (Schriftsatz vom 28.6.2004 S. 5 letzter Satz) unbeachtlich (§ 138 Abs. 2 ZPO). Im Übrigen hat bereits das LG in seinem Tatbestand festgestellt, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen der Höhe nach unstreitig sind, ohne dass der Beklagte dem mit der Berufung widersprochen hätte.

Dass der Beklagte gem. § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, der Klägerin ihre Aufwendungen aus Anlass des Unfalles vom 15.5.2001 zu ersetzen, ergibt sich wie folgt:

1. Den Beklagten trifft ein unfallursächliches Verschulden an dem Unfall vom 15.5.2001. Zwar traf ihn nicht die gesteigerte Sorgfaltspflicht des § 10 StVO - wie nunmehr auch die Klägerin erkannt hat -, weil er nicht aus dem Grundstück herausgefahren, sondern sein Rad zwischen den Beinen schiebend herausgegangen ist. Durch die beiderseitige Bezugnahme der Parteien auf die Feststellungen des AG Hamburg mit Urteil vom 10.12.2001 (vorliegend Anl. K 1) ist unstreitig, dass der Beklagte so wie dort (S. 5 des Urteils) im Einzelnen festgehalten aus seinem Grundstück herausgegangen ist, nämlich in mehreren kurzen Schrittchen in zügiger Weise, wobei das relativ zügige Voranschreiten veranlasst war, um das Schlagen der geöffneten Pforte gegen das Fahrrad zu vermeiden. Das Gericht geht nach dem Vortrag des Beklagten gemäß Schriftsatz vom 7.2.2005 davon aus, dass der Beklagte bei diesem Manöver die gewöhnliche Schrittgeschwindigkeit eines Fußgängers allerdings nicht erreichte.

Gleichwohl hat der Beklagte damit gegen die allgemeinen Sorgfaltspflichten des § 1 Abs. 1 und 2 StVO schuldhaft verstoßen. Er hätte angesichts der Sichtbehinderung durch den Heckenwuchs sich langsamer und unter nochmaligem Umschauen auch nach links quasi "vortasten" müssen, um etwaigen Verkehr nicht zu gefährden. Der Beklagte betont selbst zu Recht, dass an unübersichtlichen Grundstücksausfahrten der Ausfahrende sich bis zur Erlangung eines Überblicks in die Fahrbahn nur vorsichtig hineintasten darf.

Entgegen der Auffassung des LG hatte der Beklagte kein "Vorfahrtsrecht" bzw. beim Herausgehen keinen Vorrang vor der von links herannahenden Zeugin H. Das Zitat bei Hentschel (Hentschel, Sraßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 42 StVO Rz. 181 Z 325/326) ist insoweit missverständlich formuliert und vom LG auch missverstanden worden. Der Grundsatz "rechts vor links" gilt zum einen innerhalb einer verkehrsberuhigten Fläche dort, wo fahrbare Flächen fahrbahnartig aufeinander stoßen (Berr, DAR 1982, 137 [138]), und zum anderen beim Einfahren von anderen öffentlichen Fahrbahnen in den verkehrsberuhigten Bereich (dies ist bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 42 StVO Rz. 181 Z 325/326 gemeint). Vorliegend ist jedoch der Beklagte von seinem privaten Grund auf die verkehrsberuhigte Fläche getreten und hatte dabei, wie ausgeführt, die allgemeine Sorgfalt zu beachten.

Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Vorrang der Fußgänger vor dem Fahrzeugverkehr gem. § 42 Abs. 4a Ziff. 3 StVO berufen. Diesen Vorrang genießen solche Fußgänger die sich bereits auf der verkehrsberuhigten Fläche befinden, nicht aber solche, die, wie vorliegend der Beklagte, jene Fläche erst betreten wollen. Das ergibt sich unmittel...

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