Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verband privater Unternehmen der Glücksspielbranche handelt nicht deshalb rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, weil er zwar gegenüber staatlichen Glücksspielunternehmen, nicht jedoch gegenüber seinen eigenen Mitgliedsunternehmen wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Glücksspielwerbung, die gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstößt, geltend macht.

2. Die auf Linienbussen des öffentlichen Personennahverkehrs angebrachten Werbeslogans "Lotto guter Tipp - Hält zum Glück an fast jedem Kiosk" und "Lotto guter Tipp - Fahrscheine vorn - Spielscheine am Kiosk" verletzen das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV, weil durch sie vornehmlich noch nicht zum Glücksspiel entschlossene Personen angesprochen und zur Glücksspielteilnahme angeregt werden. Die auf Nahverkehrsbussen angebrachte Lotteriewerbung mit der blickfangmäßigen Angabe "Jeden Tag Gewinne bis 1 Million EUR" verstößt ebenfalls gegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV, wenn die nach dem Glücksspielstaatsvertrag vorgeschriebenen Warnhinweise auf Jugendschutz und Suchtgefahr allzu unauffällig und praktisch nicht lesbar platziert sind.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4; GlSpielWStVtr § 5 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 22.10.2009; Aktenzeichen 327 O 144/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg vom 22.10.2009 - 327 O 144/09, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens auf Verkehrsmitteln des ÖPNV für die Lotterien Lotto und/oder KENO zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf den Bussen der Linie 189, 250, 289 in Hamburg geschehen und nachstehend dokumentiert:

(1)

und/oder

(2)

und/oder

(3)

und/oder

(4)

und/oder

(5)

und/oder

(6)

und/oder

(7)

und/oder

(8)

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Unterlassung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. EUR 30.000 und hinsichtlich der Kosten i.H.v. 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung der Unterlassungsverpflichtung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. hinsichtlich der Kosten i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Glücksspielwerbung auf Bussen des Öffentlichen Personennahverkehrs in Hamburg in Anspruch.

Der Kläger wurde am 4.12.2008 in das Vereinsregister des AG Köln unter dem Aktenzeichen (...) eingetragen (Anlage B 1). Ihm gehören Mitglieder an, die sich auf dem Markt für Gewinn- und Glücksspielwesen betätigen oder betätigt haben. Dazu gehören Unternehmen aus dem Bereich gewerblicher Lottoservice, Sportwettenvermittlung und -veranstaltung sowie Gewinnspieleintragungsservice-Dienstleistungen. Zum 11.1.2011 wies das Konto des Klägers ein Guthaben von EUR 294.642,18 auf (Anlage BB 13).

Die satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers und der Vereinszweck sind in § 3 der Satzung festgelegt. Dort heißt es:

"§ 3

Vereinszweck- und aufgaben

1. Der Verein fördert insbesondere im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 UKlaG die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-, Gewinn- und Glücksspielwesens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "Vereinsinteressenbereich") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Insbesondere hat der Verein den Zweck und die Aufgaben, im Vereinsinteressensbereich:

a) den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglieder, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen ggf. zu erhalten sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;

b) das Marktverhalten von Marktteilnehmern im Vereinsinteressenbereich zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren, insbesondere im Hinblick auf geltende ...

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