Entscheidungsstichwort (Thema)

Die zweite Chance

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Anwaltsabmahnung, die auf die eigene Abmahnung eines Verbandes i.S.v. § 8 III Nr. 2 UWG folgt, ist im Regelfall keine "berechtigte" Abmahnung i.S.d. § 12 I 2 UWG. Schweigt der Verletzer auf eine derartige Abmahnung durch den Verband selbst, hat er im Regelfall zwar deren Kosten, nicht jedoch die Kosten einer sodann erfolgten anwaltlichen Abmahnung zu ersetzen.

2. Die Kosten einer derartigen anwaltlichen Abmahnung sind auch nicht deshalb zumindest zur Hälfte zu ersetzen, weil die vom Verletzer an die Anwälte des Verbandes zu zahlenden Gebühren aus der gerichtlichen Auseinandersetzung durch die anwaltliche Abmahnung wegen der hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr geringer geworden sind, als dies bei einer direkten Einleitung des Prozesses der Fall gewesen wäre.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 31.01.2008; Aktenzeichen 315 O 767/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen I ZR 47/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg vom 31.1.2008, Az. 315 O 767/07, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte in der Berufungsinstanz nur noch auf Erstattung von Anwaltskosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung in Anspruch.

Der Kläger ist ein Verein, der von Mitgliedern aus allen Bereichen des Handels, des Handwerks und der Industrie getragen wird; er ist in § 1 Nr. 5 der Unterlassungsklageverordnung (UKlagV) ausdrücklich als Wettbewerbsverband i.S.d. § 13 V 1 Nr. 2 UKlaG, auch i.V.m. § 8 V UWG, genannt. Zu seinen Aufgaben gehört es gem. § 1 seiner Satzung u.a., "den unlauteren Wettbewerb im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen der Rechtspflege zu bekämpfen" (Anl 1).

Die Beklagte vertrieb über die Internetplattform eBay u.a. einen Kräutertee, der mit Werbeaussagen beworben wurde, die - wie zwischen den Parteien in der Berufung nicht mehr streitig ist - wettbewerbswidrig waren.

Unter dem 31.7.2007 mahnte der Kläger selbst die Beklagte wegen dieser Werbeaussagen ab (Anl 2); eine Reaktion der Beklagten hierauf erfolgte nicht. Unter dem 8.8.2007 ließ der Kläger die Beklagte dann von seinen Prozessbevollmächtigten erneut zur Abgabe einer entsprechenden Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern (Anl 3); auch hierauf erfolgte keine Reaktion der Beklagten. Daraufhin erhob der Kläger Unterlassungsklage beim LG und verlangte daneben Erstattung eigener Auslagen in Höhe eines Pauschalbetrages von EUR 181,13 sowie von Anwaltskosten für die vorprozessuale Abmahnung i.H.v. EUR 899,40. Nach Abgabe einer entsprechenden Unterlassungsverpflichtungserklärung im Prozess haben die Parteien das Verfahren hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt.

Im angegriffenen Urteil vom 31.1.2008 hat das LG die Beklagte zur Zahlung der geltend gemachten Kostenpauschale verurteilt, hinsichtlich der Anwaltskosten die Klage indes abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die anwaltliche Abmahnung nicht im wohlverstandenen Interesse der Beklagten erfolgt sei, die dadurch entstandenen Kosten seien überflüssige Aufwendungen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung auch der Kosten der anwaltlichen Abmahnung i.H.v. EUR 899,40 erreichen will. Zur Begründung führt er u.a. aus, dass der Abgemahnte dadurch, dass er auf die Abmahnung nicht reagiere, keineswegs in ausreichender Weise kundgetan habe, dass er sich nicht zu unterwerfen gedenke; angesichts der den Abgemahnten treffenden Antwortpflicht sei das Schweigen der Beklagten keine ausreichende Reaktion gewesen. Es sei im Interesse des Abgemahnten, wenn ihm eine zweite Chance gegeben werde, einen Prozess zu vermeiden. Unabhängig von § 12 I 2 UWG sei damit ein Anspruch aus § 683 BGB und auch aus Schadensersatz wegen Verletzung der Antwortpflicht begründet. Durch die Abmahnung sei zudem wegen der hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr nur eine zusätzliche 0,65-Gebühr entstanden; allenfalls insoweit könne es sich um "unnötige" Kosten der Rechtsverfolgung handeln, so dass schon deshalb der Zahlungsanspruch jedenfalls nicht vollständig zurückzuweisen sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg vom 31.1.2008, Aktenzeichen 315 O 767/07, zu verurteilen, an ihn - den Kläger - weitere 899,40 EURnebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagt...

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